Eigentlich brauchte ich nur ein neues Armband für meine Uhr. Aber dann kam ich vom Weg ab: Verloren in der Großstadt
AM RAND
Klaus Irler
Das Leben in Hamburg bietet viele Möglichkeiten. Auch am Stadtrand. Das ist toll, aber es ist auch gefährlich, weil es passieren kann, dass man sich verheddert. Man kommt vom Weg ab, verliert das Ruder und muss mit Zeit bezahlen, bis man wieder in der Spur ist. Mir ist das letztens wieder passiert, obwohl ich dachte, ich könnte mittlerweile umgehen mit den Möglichkeiten der Großstadt.
Es war nämlich so, dass ich ein neues Armband brauchte für meine Uhr. Also ging ich in den ersten Laden, in dem ich so etwas gesehen hatte – aber der hatte keine mehr. Dann ging ich in den zweiten Laden, aber der hatte nur Uhrenarmbänder aus Plastik, und so eines wollte ich nicht. Ich ging in den dritten Laden, diesmal ein Uhrenfachgeschäft, und da gab es eines, das mir gefiel, aber auch in der billigsten Ausführung mehr kostete, als die ganze Uhr noch wert war. Das passte auch nicht.
Ich dachte: Jetzt reicht’s. Dass ich mit so einem Mist meine Zeit verplempere, geht nicht. Wenn der stationäre Handel mir nicht helfen kann, gehe ich halt ins Internet.
Im Internet gibt es mehr Uhrenarmbänder, als der Himmel Sterne hat. Aber es gibt auch ein Problem: Man weiß nicht, ob bei den Armbändern diese kleinen Metallstifte mitgeliefert werden, mit denen die Armbänder an der Uhr befestigt werden. Ich recherchierte lange und fand heraus: Die Stifte heißen Stegen. Dann suchte ich mir ein Armband aus, das ich kaufen wollte und stellte eine Frage an die Bewerter-Community: „Werden bei diesem Armband Stegen mitgeliefert?“
Ich bekam eine Flut von Antworten. Einer schrieb: „Ich weiß es nicht mehr genau, ist schon so lange her, dass ich das Armband bestellt habe.“ Einer anderer schrieb: „Was sind Stegen?“ Ein dritter schrieb: „Nein!“ Den nahm ich beim Wort.
Ich aber brauchte ein Armband mit Stegen und wie ich so im Internet rumklickte, merkte ich, wie mein Kopf immer heißer wurde, weil die Menge an Zeit, die ich gerade dabei war zu verlieren, schon wieder jenseits von Gut und Böse war. Ich wurde immer nervöser. Schließlich bekam ich schlechte Laune.
Ich verließ das Internet und ging in den Laden Nummer vier, von dem ich vermutete, dass er auch Uhrenarmbänder haben könnte. Ich hätte jetzt ein bisschen Glück verdient, fand ich. Tatsächlich hatte dieser Laden mein Wunsch-Armband. Allerdings nicht in meiner Größe.
Ich merkte, dass ich aus der Sache nicht mehr heil rauskommen würde, wenn ich nicht eine radikale Maßnahme ergreife. Ich musste die Eskalationsspirale durchbrechen. Also beschloss ich, die Sache ruhen zu lassen.
Normalerweise passiert ja nichts, wenn man Dinge ruhen lässt. Mir aber fiel beim Aufräumen zu Hause ein altes Armband in die Hände. Ich wusste nicht mehr, dass es das gab und brauchte jetzt nur noch die Stegen. Also ging ich ins Uhrenfachgeschäft und kaufte welche. Jetzt habe ich wieder eine Uhr und hoffe, dass sie mich nicht wahnsinnig macht, wenn ich das nächste Mal vom Weg abkomme.
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