Berliner Szenen: Keine Modenschau
Tigerfrau
Im Hilfsbungalow vor dem Bundesamt für Migration schmieren drei Ehrenamtliche im Akkord Toastbrote mit Butter, eine Ehrenamtliche im Tigerkostüm packt Tüten mit Spenden aus, eine weitere Ehrenamtliche sortiert die Sachen aus den Tüten in Körbe um.
Aus dem kleinen Fenster des Bungalows blicken die Ehrenamtlichen auf den Hof des BAMF, auf dem drei Jungs mit einem laschen Basketball Fußball zu spielen versuchen. Einer der Jungs trägt Sandalen mit Socken und hat weder eine Jacke noch eine Mütze oder einen Schal an. Die Ehrenamtliche im Tigerkostüm holt ihn rein und sucht in den Körben nach Sachen in seiner Größe.
Nach langem Durchprobieren findet sie ein annähernd passendes Paar Gummistiefel, eine gelbe Wollmütze und einen pinken Schal und zieht den Jungen im Türrahmen an. Binnen Minuten bildet sich eine Schlange: Vier Frauen bitten um Mützen für ihre Kinder, eine junge Frau um ein Stirnband für sich selbst, sieben Männer um Schals.
Eine von den Broteschmierenden Ehrenamtlichen herrscht die im Tigerkostüm an, dass die Vergabe von Kleidung hier nicht zu den Aufgabenbereichen gehöre, und versucht sich dabei mit einer Ladung fertiger Brote aus der Tür zu schieben. Als sie nicht durchkommt, reicht sie den Menschen in der Schlange einen Korb mit Mützen raus und sagt: „You pick.“ Und nachdem niemand reagiert: „Nehmen! Nehmen!“ Die junge Frau, die um ein Stirnband gebeten hat, probiert alle Stirnbänder an. Der Ehrenamtlichen platzt der Kragen. Sie reißt der Frau den Korb aus der Hand und ruft erst auf Deutsch, dann auf Englisch: „Das ist doch keine Modenschau hier. Wer was auf’n Kopf will, nimmt, was er kriegen kann! This is no fashion show here! You want hot you take what you get!“
Eva-Lena Lörzer
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