American Pie: „Seid einfach ihr selbst“
FOOTBALL Die Kansas City Chiefs stehen nach einem tollen Lauf im Viertelfinale der NFL. 11 Siege in Serie hat das Team eingefahren – ohne große Stars
Gut möglich, dass Brian Hoyer am Samstag nicht vorm Fernseher sitzen wird, wenn die Footballer der Kansas City Chiefs in den NFL-Playoffs auf die New England Patriots treffen. Der 30-Jährige ist Quarterback der Houston Texans und erlebte bei der 0:30-Demontage durch jene Chiefs im Wild-Card-Game vor einer Woche sein persönliches Desaster. Hoyer leistete sich gleich vier katastrophale Fehler und war so neben der Spur, dass sich der Passgeber danach zu einer öffentlichen Entschuldigung genötigt fühlte. Experten wie Fans glauben kaum noch an eine Zukunft Hoyers in Texas.
Dabei waren die deutliche Niederlage und das damit verbundene Playoff-Aus keine so große Schmach. „Kansas City hat uns heute die Grenzen aufgezeigt. Ihre aktuelle Form ist unglaublich“, sagte Houstons Head Coach Bill O’Brien nach der Partie. Elf Spiele hintereinander haben die Chiefs gewonnen, nach einem miesen Saisonstart mit fünf Niederlagen in den ersten sechs Partien. „Wir waren in einem tiefen Loch und haben uns selbst wieder herausgezogen“, sagt Trainer Andy Reid.
Besonders der stark verbesserten Defensive und dem Teamwork ist der Umschwung zu verdanken. Gerade einmal 11,6 Punkte erlaubte die Verteidigung der „Häuptlinge“ zuletzt. Zuvor waren es 26,5 Punkte. „Seid einfach ihr selbst. Macht das, was ihr am besten könnt“, ist das Mantra des 57-jährigen Reid, der seit 2013 die Chiefs lenkt. Zuvor war der stämmige Mann mit dem Schnauzer von 1999 bis 2012 bei den Philadelphia Eagles. Als der ganz große Erfolg allerdings ausblieb, trennten sich die Eagles von der Klub-Ikone; bei der Entlassung war Reid dienstältester Trainer der gesamten NFL. Die Demission wurde zum Glück der Chiefs: Schon im ersten Reid-Jahr schafften es die Chiefs in die Play-offs – was in 15 Jahren zuvor ganze drei Mal gelungen war.
Es ist ein Team ohne große Stars. „Wir tun das, was wir können, und wir werden damit bestimmt nicht aufhören“, kündigt Quarterback Alex Smith an. Der 31-Jährige kam im selben Jahr wie Reid zur Mannschaft, sollte eigentlich mit seinem Ligadebüt 2005 die San Francisco 49ers zurück in die Ligaspitze führen, doch für die ebenso erfolgshungrige wie ungeduldige Führungsetage der Kalifornier ging der Aufstieg nicht schnell genug. Als Smith 2012 mit einer Gehirnerschütterung lange ausfiel, übernahm Ersatz Colin Kaepernick, stieg mit guten Leistungen zum Star auf und blieb folglich auch nach Smiths Genesung Stamm-Quarterback.
Also griffen die Chiefs zu, und Smith blüht seitdem auf. Gegen Houston stellte der 1,93-Meter-Mann mit 17 angekommenen Pässen bei 22 Versuchen einen neuen Teamrekord auf. Eine ähnliche Bestleistung erzielte Smith schon im Laufe der regulären Saison, als er 312 Pässe hintereinander ohne Ballverlust spielen konnte, die zweitlängste Serie der Ligahistorie. Einst für sein auf Sicherheit bedachtes Spiel als „Game Manager“ belächelt, ist es eben genau dieses solide Spiel, das zum Stil des Teams passt. „Alex ist das komplette Paket“, schwärmt Reid, „er passt perfekt zu uns.“
Vor dem Sieg gegen Houston hatte das Team zuletzt 1994 ein Play-off-Spiel gewonnen. Damals schafften es die Chiefs – mit Quarterback-Legende Joe Montana – ins Halbfinale. Smith könnte bei einem Sieg über Titelverteidiger New England am Samstag mit der Ikone gleichziehen. Nicht wenige trauen den Chiefs zu, die aktuell formschwachen „Pats“ um Spielmacher Tom Brady aus den Play–offs zu werfen. „Ich habe Alex einfach die Autoschlüssel gegeben“, umschreibt Reid das Vertrauen in ihn. David Digili
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