Keine Gefälligkeiten

HOMMAGE Das Hamburger Metropolis-Kino würdigt noch bis Ende des Monats die belgische Filmemacherin Chantal Akerman, die sich im Oktober vergangenen Jahres das Leben nahm

Vielseitige Regisseurin: Chantal Akerman 2011 Foto: dpa

Ob kleine Dokumentationen oder die paar aufwändigeren Art-House-Produktionen: Chantal Akermans Filme waren Experimente. Für Regisseur Jean-Luc Godard war sie „eine Widerstandskämpferin“ – gegen nicht weniger als „das Kino der Gefälligkeiten“. Akerman, 1950 als Tochter einer Auschwitz-Überlebenden geboren, machte Filme aus radikal weiblicher Perspektive und schon dadurch gegen die herrschenden Sehgewohnheiten. Mehr als 40 sehr unterschiedliche Arbeiten hat sie ab 1968 realisieren können, ehe sie sich im Oktober vergangenen Jahres das Leben nahm.

In einer kleinen Hommage zeigt das Hamburger Metropolis-Kino im Januar noch drei davon: ihren bekanntesten Film, ihren letzten – und ihren vielleicht berüchtigsten. Schon gelaufen ist ein vierter, „Eine ganze Nacht“ aus dem Jahr 1982.

Den Spielfilm „Jeanne Dielman“, am 31. Januar zu sehen, bezeichnete Akerman 1975 als „Liebesfilm für meine Mutter“: Titelheldin ist eine alleinerziehende Mutter, die als Prostituierte ihr Geld verdient. Zu sehen ist mehr als drei Stunden lang alltägliches Leben, das die Protagonistin geordnet hat für sich selbst und für ihren Sohn: Musik etwa darf nur zu festgelegten Zeiten gespielt werden, ein heruntergefallener Löffel beim Abwasch oder auch nur verkochte Kartoffeln irritieren sie zutiefst. Als sie am Schluss des Films bei einem Kunden einen Orgasmus erlebt, ist das für sie eine Katastrophe mit tödlichen Folgen. Feministinnen bejubelten den Film, aber auch der Schriftsteller Handke nannte ihn eine Inspirationsquelle.

20 Jahre später drehte Akerman mit „Eine Couch in New York“ – am morgigen Freitag zu sehen – eine intelligent-unterhaltsame romantische Komödie: Juliette Binoche spielt eine Pariser Tänzerin, William Hurt einen New Yorker Psychiater. Per Annonce tauschen beide ihre Wohnungen, und während er lernt, das Leben zu genießen, therapiert sie erfolgreich seine Kunden. Als er vorzeitig zurückkehrt, landet er auf seiner eigenen Couch als ihr Patient.

2011 inszenierte Akerman noch einen Spielfilm mit großem Budget: „La folie Almayer“, eine Adaption des Romandebüts von Joseph Conrad, bekam durchweg gute Kritiken hatte aber wenig kommerzielles Potential. So wurde er international kaum verkauft, lief in Deutschland weder im Kino noch im Fernsehen und fehlt leider auch in dieser kleinen Reihe.

„No Home Movie“ – am 26. und 29. Januar – besteht ausschließlich aus Begegnungen mit ihrer Mutter: Man sieht die Frau in ihrem Brüsseler Appartement, sie hat Besuch von ihrer Filmemacher-Tochter, oder die beiden sprechen per Skype miteinander. Geschnitten hat Akerman den Film kurz nach dem Tod ihrer Mutter. Wenige Monate nach der Premiere bei den Filmfestspielen in Locarno schied sie dann selbst aus dem Leben, 65-jährig und durch eigene Hand. HIP