piwik no script img

AStA-Zeitung darf Dating-Coach nicht nennen

Urteil Ein Frankfurter Student bietet umstrittene Seminare an, aber kritische Berichte stören ihn

BERLIN taz | Zwei kritische Artikel über sogenannte Pick-up-Artists könnten für den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Universität Frankfurt teuer werden. Die AStA-Zeitung prangert darin die Szene von Aufreißern an, die sich damit brüsten, möglichst viele Frauen rumzukriegen – mitunter gewaltsam. In den Texten kommt auch ein örtlicher Pick-up-Artist vor, inklusive Foto und abgekürztem Namen.

Der selbst ernannte Dating-Coach und Student an der Uni Frankfurt sah durch die Berichterstattung seine Persönlichkeitsrechte verletzt. In zweiter Instanz hat er nun recht bekommen: Das Oberlandesgericht Frankfurt erließ in der vergangenen Woche eine einstweilige Verfügung.

Dabei wirbt der nebenberufliche Dating-Coach per Onlinevideo für seine Workshops und zeigte in einem fünfminütigen ARD-Beitrag unter echtem Vornamen, wie er in der Fußgängerzone Frauen angräbt. Der AStA will sich dem Urteil daher nicht beugen und lässt es auf ein Verfahren (und das Risiko, die Prozesskosten tragen zu müssen) ankommen. In den Augen des AStA untersagt es das Gericht nämlich, „sexistische Übergriffe zu thematisieren.“

Ein Sprecher des Gerichts weist die Zensurvorwürfe zurück. Das verletzte Persönlichkeitsrecht sei „der tragende Aspekt des Urteils“. Der AStA dürfe über die Pick-up-Szene berichten, aber dafür sei der Name des Studenten „vollkommen unerheblich“ – zumal es nicht um „konkrete schwerwiegende Verfehlungen“ von ihm persönlich gehe. Er müsse es daher nicht hinnehmen, dass er „nachhaltiger Kritik ausgesetzt wird“, heißt es im Urteil.

Die Argumentation des Gerichts macht die feministische Antifa Frankfurt (fantifa) fassungslos. Schon seit einem Jahr sammelt die Gruppe Berichte von Frauen, die auf dem Campus belästigt und bedrängt wurden. Dem Dating-Coach wirft die fantifa vor, dass er Frauen zu Objekten mache und kein „Nein“ akzeptiere. AStA-Vorstand Valentin Fuchs verweist auf die Wirkung des Trainings: „Inzwischen laufen mehrere Personen an der Uni herum, die das machen.“

Von einer „sehr unangenehmen“ Begegnung erzählt eine Soziologiestudentin der taz: Ein Student fragte sie nach dem Weg. Danach ließ er nicht locker und rückte immer näher. Sie forderte ihn mehrmals auf zu gehen. „Warum denn? Sei nicht so abweisend und kratzbürstig“, erwiderte er. Er habe ihre Schulter berührt und jede Ablehnung in „pseudofreundlicher Art“ abgeschmettert. Viele Kommilitoninnen seien ähnlich angemacht worden, manche auch körperlich, andere wurden bis zur U-Bahn verfolgt.

Kommilitoninnen wurden bis zur U-Bahn verfolgt

Der Pick-up-Artist prahlt in einem Video damit, wie er hilft, „den Mut aufzubringen, fremde Frauen anzusprechen“. Im ARD-Beitrag distanziert er sich zwar von Gewalt und „gewissen Manipulationsmethoden“. Aber er sagt auch: „Natürlich ist in der Szene derjenige hoch angesehen, der jedes Wochenende eine mit nach Hause nimmt und sich auch damit brüstet.“ Wegen solcher öffentlicher Auftritte findet die Vertreterin der fantifa: „Die Entscheidung, seinen Namen zu nennen, hat er sozusagen selbst getroffen.“

Astrid Ehrenhauser

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen