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In Stahlgewittern

Krawumm Industrialpioniere, Fanfarenrocker: Die slowenischen Totalitarismusexperten Laibach geben mit ihrem Stiefelschrittrock dem Festival „Krieg singen“ im Haus der Kulturen der Welt die erste Richtung vor

Laibach, eine prima Versuchsanordnung, wie viel an Überwäl­tigungsgestik esdenn bitte seindarf in der Musik

von Thomas Mauch

Slowenien. Musikalisch muss man dieses kleine, im Herzen Europas gelegene Land wohl eine echte Macht nennen. Machtvoll zumindest im Hinblick auf den deutschsprachigen Kulturraum, der tatsächlich von den beiden bekanntesten Kulturexporten Sloweniens fest in den Griff genommen wurde.

Da wäre zum einen Slavko Avsenik, der im vergangenen Jahr verstorbene Akkordeonspieler. Mit seinen Original Oberkrainern hat Avsenik mit den fröhlich geschmetterten Polkas, Märschen und Ländlern überhaupt erst die immer noch gültige Prägeformel für den Musikantenstadl der volkstümlichen Musik erfunden. Und zum Zweiten kommen aus Slowenien eben Laibach. Industrialpioniere, Fanfarenrocker, Musikstrategen mit Kunsthintergrund. Ohne deren Orientierungshilfe wären Rammstein mit ihrer teutonischen Wucht wohl nie so recht in den musikalischen Stiefelschritt gekommen. Heute Abend spielen Laibach im Haus der Kulturen der Welt um 20.30 Uhr zur ersten Abendrunde des Festivals „Krieg singen“ dort.

Jetzt mag man vielleicht einwenden, dass Rammstein als wirkliche Erfolgsband doch etliche Nummern größer seien als Laibach, die man nun kaum als echte Hitparadenband bezeichnen kann. Aber Hitparade ist noch nicht die ganze Wahrheit. Laibach selbst jedenfalls haben die Größenverhältnisse in ihrer mokanten Art zurechtgerückt: dass Rammstein Laibach für Kinder ist, teilt die Band mit. Und Laibach ist Rammstein für Erwachsene.

Verbrannte Erde

Weil das eben kein Kasperletheater ist, was Laibach machen. Dafür muss man doch noch einmal ziemlich weit zurück schauen in eine Welt, die eine andere war, als sich die Band 1980 im damaligen Jugoslawien gründete. Und gleich mit ihrem Namen eine echte Krawallansage machten mit Laibach, dem deutschen Namen von Ljubljana. Verbrannte Erde. Allein schon dieser Name eine schmerzhafte Ohrfeige für ein Land, das nicht zuletzt auf dem Mythos der Partisanen aufgebaut wurde.

Mit ihren Uniformen und den Bildern, mit denen die Band bei ihren Auftritten das Publikum zu bombardieren pflegt, diesem Taumel aus faschistischer, futuristischer und realsozialistischer Ikonenproduktion, sorgte die Band für fortgesetztes Erregungungpotenzial. Wenigstens die ersten Jahre ihrer Karriere begleitete die Band treu auch der Faschismusverdacht.

Wenn man sie allerdings festnageln wollte auf den Vorwurf, hörte man von ihnen nur ein sybillinisches „Wir sind so sehr Faschisten, wie Hitler ein Künstler war.“

Da klingt im Hintergrund gleich wieder Deutsch als die Sprache der marschierenden Stiefel an. Laibach singen gern in Deutsch. Etwa „Ein Fleisch, ein Blut, ein wahrer Glaube. Ein Ruf, ein Traum, ein starker Wille. Ja, ja, ja: Gebt mir ein Leitbild!“ Schaurige Geschichte. Und halt auch schlicht die ziemlich gewissenhafte Übertragung des Queen-Hits „One Vision“, den Laibach in Stahlgewittern zu ihrem Statement „Geburt einer Nation“ geformt haben. Stadionrock, mit Fanfaren zur Kenntlichkeit entstellt.

Erschienen ist das Lied 1987 auf dem Album „Opus Dei“. Ein Weilchen her. Aber die Band ist eben schon so lange mit dabei, dass sich das einstige Verstörungspotenzial etwas aufgerieben hat. Von der Aufregerband aus Jugoslawien (wo sie lange Jahre nicht öffentlich auftreten durften) haben es Laibach längst zum prominenten Kulturexport Sloweniens geschafft. Der die Welt der Feuilletons aber noch mal mächtig aufzucken ließ im August des vergangenen Jahres, als Laibach einen Auftritt in Nordkorea hatten. Die Band mit dem eingebauten Totalitarismusverdacht spielt in dem Schreckbild eines totalitären Staates.

Ist das nun böse Anbiederung, fragte man sich. Ist das subtile Subversion? Oder einfach nur eine Show?

Reichsparteitagsstimmung

Jedenfalls hatte man wieder mal so eine griffige Pointe von der besonderen Dialektik der Aufklärung à la Laibach zur Hand, die durchaus was mit einem Exor­zismus zu schaffen hat. Das ist keine Satire. Nicht ironisch gemeint. Und so ist die martialische Inszenierung der Band weiterhin eine prima Versuchsanordnung, wie viel an Reichsparteitagsstimmung und Überwältigungsgestik es denn bitte sein darf in der Musik.

Denn Laibach haben schon, wie sie in einem taz-Interview gleichfalls im vergangenen Jahr bekannten, eine Mission. Nämlich: „Dem Bösen den letzten Nerv zu rauben. Das war es immer.“

Beim Konzert im Rahmen von „Krieg singen“ – unter anderem soll bei dem Festival auch geklärt werden, wieso Krieg und Musik so gut zusammengehen – werden Laibach einen Teil ihres Pjöngjang-Programms präsentieren. Und als eine wirklich hübsche Zugabe könnte man sich doch mal eine Verneigung vor dem anderen Kulturexport ihrer slowenischen Heimat vorstellen. Vor Slavko Avsenik. Dessen Oberkrainer-Hit „Trompetenecho“, nach Laibach-Art zurechtgeschmettert, das hätte Schmackes.

Berührungsängste sind der Band sowieso fremd: Schon seit den achtziger Jahren arbeiten Laibach immer wieder musikalisch mit dem Avsenik-Sohn Slavko Avsenik Jr. zusammen.

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