„Robert Habeck ist kein Halbgott“

Grüne Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Eka von Kalben, über männliche Kandidaten und die Frauenquote, vorstellbare Koalitionen und eine mögliche norddeutsche Kooperation bei der Flüchtlingsverteilung

Noch in Schleswig-Holstein, bald in Berlin? Über ablaufendes Wasser kann der Spitzengrüne Robert Habeck schon gehen  Foto: Markus Scholz/dpa

Interview Esther Geißlinger und Sven-Michael Veit
undEsther Geißlinger und Sven-Michael Veit

taz: Frau von Kalben, die Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW könnte es tatsächlich schaffen, bis 2017 im Amt zu bleiben – zum ersten Mal in Schleswig-Holstein seit mehr als einem Jahrzehnt. Haben Sie überhaupt noch Themen für den Rest der Legislaturperiode?

Eka von Kalben: Aber sicher! Neben den vielen Fragen im Zusammenhang mit dem Zuzug von Flüchtlingen geht es uns Grünen besonders um den Klimaschutz, den wir dringend mit konkreten Maßnahmen unterlegen müssen. Ein Dauerthema in Schleswig-Holstein ist auch der Umbau der Landwirtschaft: Angesicht der großen Nachfrage nach Bio-Produkten brauchen wir mehr Höfe, die diese herstellen.

Schauen wir mal auf die Flüchtlingspolitik. Die Regierung wollte die Menschen ursprünglich in den Uni-Städten unterbringen, nun werden überall in ländlichen Kasernen Unterkünfte eröffnet – Plan gescheitert?

Dieser Plan wurde Anfang 2015 angegangen. Seither hat sich die Welt geändert. Und ich denke, dass dezentrale und ländliche Erstaufnahmen gar nicht schlecht sind. Dort können die Leute erst mal zur Ruhe finden, ärztliche Untersuchungen durchlaufen und dann in die Kommunen weitergehen. Da muss dann die Integration stattfinden.

Aber viele Kommunen fühlen sich überfordert.

Natürlich ist das eine Riesenherausforderung! Allein was die Unterbringung angeht – besonders die Kommunen und Städte am Hamburger Rand klagen über mangelnden Wohnraum. Daher hat die Landesregierung ein Wohnungsbauprogramm aufgelegt. Der entscheidende Punkt ist, Bauflächen zu finden. Und da ist Schleswig-Holstein in einer guten Position, weil es Gebiete gibt, die Zuzug wollen und brauchen. Hier haben wir es besser als Hamburg. Ich halte es deshalb für sinnvoll, wenn wir hier nach norddeutschen Lösungen suchen.

Wäre das möglich? Flüchtlinge werden doch nach festen Quoten auf die Länder verteilt.

Ich sage mal: Wo ein Wille ist ...

Streit gibt es in der Regierung immer wieder um die Infrastruktur, etwa beim Ausbau der A 20 und auch beim Fehmarnbelt. Oder haben die Grünen inzwischen ihren Widerstand gegen die feste Querung aufgegeben?

Der Widerstand ist noch da – aber Fakt ist, dass wir auf Landesebene nur begrenzte Möglichkeiten haben, uns gegen eine Entscheidung des Bundes zu stellen. Bei der Abwägung, ob wir uns aus grundsätzlichen Bedenken gar nicht an der Debatte beteiligen oder uns in die Planung der Hinterlandanbindung einmischen, um diese so ökologisch und erträglich für die Anwohner wie möglich zu gestalten, haben wir uns für Letzteres entscheiden.

Aber Verkehrsminister Reinhard Meyer von der SPD plant fröhlich vor sich hin – wo bitte mischen sich die Grünen ein?

Unser Umweltminister Robert Habeck ist zuständig für die ökologischen Fragen der Raumplanung, da gab es große Auseinandersetzungen. Die Möglichkeit, den Staatsvertrag aufzulösen, haben die Grünen nicht. Wir äußern uns, aber Fehmarn besetzen und uns vor einen Bagger setzen können wir nicht.

Das wäre allerdings eine ur-grüne Herangehensweise...

Na, zurzeit rollt ja noch kein Bagger …

Im Jahr 2017 steht nicht nur die Landes-, sondern auch die Bundestagswahl an, für die Robert Habeck als Spitzenkandidat antreten möchte. Gesetzt den Fall, er gewinnt den parteiinternen Wettkampf: Wie will die Landespartei ohne ihren Halbgott antreten?

Weder sehe ich die Wahl als Bedrohung noch glaube ich, dass Robert Habeck ein Halbgott ist ...

Vielen Dank für die Klarstellung!

Eka von Kalben

Foto: dpa

51, Diplom-Verwaltungswirtin, war von 2009 bis 2012 Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein und ist seitdem deren Fraktionsvorsitzende im Kieler Landtag.

Natürlich ist er ein Superpolitiker, aber wir haben viele gute Leute und sind vor allem eine Themenpartei. Daher bin ich guten Mutes, dass wir es ohne ihn schaffen. Und, nicht zu vergessen, wenn er es im Bund schafft, brächte das der Landespartei eher Rückenwind.

Zurzeit sitzt Konstantin von Notz für Schleswig-Holsteins Grüne im Bundestag. Er könnte seinen Platz verlieren, wenn Habeck antritt – oder erwägt der Landesverband, die Frauenquote zu lockern und beide Männer nach Berlin zu schicken?

Wir werden nicht von der Frauenquote abweichen. Sie ist ein wichtiges und hohes Gut der Grünen, und je länger ich den Politik-Betrieb erlebe, desto wertvoller finde ich dieses Instrument. Wie sich diese Personalfrage entscheidet, kann ich heute noch nicht sagen. Ich wünsche mir auf jeden Fall eine wichtige Rolle für Konstantin. Seine Arbeit im Bundestag ist wirklich hervorragend und sehr wichtig für die Grünen und für das Land.

Nach der Kandidaten- nun die Koalitionsfrage: Wagen die Grünen in Schleswig-Holstein 2017 endlich Schwarz-Grün?

Wir haben beschlossen, keine Ausschließeritis zu betreiben...

... was die Tür zu Schwarz-Grün öffnet.

Wir schließen die Zusammenarbeit mit keiner demokratischen Partei aus, aber wir sind sehr zufrieden mit der jetzigen Koalition und wollen gern über 2017 hinaus mit SPD und SSW zusammenarbeiten.