Hautgout Fast verschwunden ist das Wort – nicht aber sein Geruch und Geschmack: süßlich, streng und sehr intensiv
: Schmeckt scheiße, aber köstlich

Fasan, gut abgehangen Foto: getty images

Es ist ein schon fast verschwundenes Wort der Küchensprache. Aber dass ein Begriff nicht mehr verwendet wird, heißt nicht, dass der damit verbundene Geschmack auch verschwunden wäre – ganz im Gegenteil.

Gemeint ist der Hautgout, in keiner Weise ein Zungenbrecher, wie man bei dieser französischen Buchstabenkombination womöglich meinen könnte. Ausgesprochen ist es ein wunderbares Wort: „Ogu“ mit langem u. Und es geht viel leichter über die Lippen, als seine sinngemäße schwäbische Übersetzung, die nach wie vor im deutschen Wortschatz lebendig ist: das Geschmäckle.

Meist schmeckt es nicht nur „ogu“, es riecht auch danach. Eigentlich zum Naserümpfen. Oft etwas süßlich, auf jeden Fall streng und sehr intensiv. Früher adelte man damit das Aroma von überlang oder zu warm abgehangenem Wild oder auch anderem Fleisch wie Rind- oder Hammelfleisch. Noch heute gilt der Fasan in Großbritannien erst dann als küchenfertig, wenn er durch tagelanges Abhängen ein unverwechselbares Aroma entwickelt hat. Man sollte es nur nicht so weit treiben, den Vogel so lange aufzuhängen, bis wegen der Verwesung der Körper sich selbst vom Kopf trennt. Dieser Akt ist eine weitverbreitete Mär. Dann haben sich meist schon Maden im Fleisch angesiedelt.

Hautgout, der hohe Geschmack, ist nicht auf Wild begrenzt. Lang gereifte Käse haben ihn, Parma und der andere große Schinken namens Culatello, die mit einem leichten Pisse-Geschmack kommen, haben ihn. Und auch die urinösen Nierchen, die manche Menschen noch lieben. Den stärksten Hautgout aber strömt die Durian aus, ein Obst, das auf allen Märkten Südostasiens zu erhalten ist, aber beim Öffnen einen beißenden Geruch verbreitet. Der Geschmack, süß, mit Vanille-,Walnuss- und Zwiebelnoten, dabei aber fruchtig, macht diesen Eindruck schnell vergessen.

Das aromatische Spiel mit dem Verwesenden: Nicht nur Küchenpsychologen deuten, es hänge mit der analen Phase zusammen, in der Körperausscheidungen vom Kind mit Lustgewinn verbunden sind. Diese Kostbarkeiten werden dann aber von außen mit Pfui und Ekel verbunden. Im Genuss von Parma, Kimchi oder abgehangenem Fasan liegt damit ein retardierendes Moment. Man darf sich ein paar Kaubewegungen lang wieder in der Windelphase fühlen. Für Menschen, die als Kind besonders schnell trocken werden mussten, ist das wahrscheinlich sogar ein anarchistischer Genuss: schmeckt scheiße, aber köstlich. Jörn Kabisch