"Jetzt wird eben wieder gesäubert"

POLEN PiS-Politiker bauen die Institutionen um – atemberaubend schnell. Jetzt sind die öffentlich-rechtlichen Medien dran

WARSCHAU taz | „Wer die Medien hat, der hat die Macht.“ Das sagt nicht nur Jarosław Kaczyński, der Parteivorsitzende der rechtsnationalen Recht und Gerechtigkeit (PiS), das sagen inzwischen fast alle Polen. Obwohl viele von ihnen einst gegen Zensur und das Medienmonopol der Volksrepublik Polen gekämpft hatten, regt sich nun kaum Widerstand gegen das neue Mediengesetz.

Es soll den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter strikte Staatskontrolle stellen – wie bereits 2005 bis 2007, als die PiS in Polen schon einmal an der Regierung war. Obwohl Präsident Andrzej Duda das neue Gesetz erst nach seinem Winterurlaub am Montag oder Dienstag unterzeichnen wird, reichten bereits drei TVP-Programmdirektoren, der Chef der Fernseh-Informations-Agentur und die TVP-Personalchefin ihren Rücktritt ein.

Seit Oktober regiert die PiS mit absoluter Mehrheit in beiden Kammern des polnischen Parlaments. Anders als noch in den Jahren 2005 bis 2007, als die PiS mit zwei Koalitionspartnern regieren müsste, will sie diesmal alle Hindernisse beiseite räumen, die ihrer alleinigen Parteiherrschaft im Wege stehen.

An allen Schlüsselstellen des Staates sollen gefügige Leute sitzen, die auf Kaczyński und seine Getreuen hören. Relativ geräuschlos läuft bislang der Personalaustausch bei der Polizei, den Geheimdiensten, der Armee, den Staatsunternehmen und Ministerien ab. Heftigen Widerstand leistet das Verfassungsgericht, das noch immer seine Hauptaufgabe darin sieht, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen.

Doch auch ein Beamtengesetz wurde bereits verabschiedet. Experten zufolge sind über 200.000 Stellen betroffen. Für die Neubesetzung einer Beamtenstelle sei künftig weder eine öffentliche Ausschreibung nötig noch eine nachzuweisende Qualifikation für den Posten. Dies gelte auch für die künftigen Staatsmedien. Zu jeder vollen Stunde spielt das Erste Programm des polnischen Radios ein paar Takte der Hymne Polens oder Europas: „Noch ist Polen nicht verloren“ und „Freude, schöner Götterfunken“. Die meisten Hörer verstehen den akustischen Protest gar nicht, folgt doch direkt danach die übliche Erkennungsmelodie des Radios.

„Wir können gar nichts tun“, sagt ein Radiojournalist, der nicht genannt werden möchte. „Jetzt wird eben wieder gesäubert, und wer nicht für die Partei ist, fliegt raus. So einfach ist das.“ Die Polen würden erst protestieren, wenn die Staatspropaganda in Radio und Fernsehen zu penetrant würde: „Journalisten in der Volksrepublik konnten wenigstens in der freien Welt um Asyl bitten, aber jetzt ist Polen ja selbst in der EU. Was für ein Pech!“

Schatzminister Dawid Jackie­wicz wird demnächst die Aufsicht über die neuen „nationalen Kulturinstitute“ ausüben. „Der Medienmarkt muss vollkommen neu geregelt werden“, sagt er. Das Gesetz, das im Eiltempo durch Sejm und Senat gejagt wurde, sei lediglich eine „kleine Novelle“. In rund zwei bis drei Monaten werde die PiS dann das große Mediengesetz vorlegen. Gabriele Lesser