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"Heldenrolle für Männer"

Streik Ein Dokumentarfilm über die vergessenen Frauen der Solidarność kommt nach Hamburg

Iwona Dadej

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39, Historikerin und Genderforscherin an der FU Berlin, hat Geld eingeworben, damit „Die Frauen der Solidarność“ in Deutschland gezeigt werden kann.

taz: Frau Dadej, hätte es die Solidarność-Bewegung in Polen ohne die Frauen gegeben?

Iwona Dadej: Nein. Nachdem die Forderung der Streikenden der Danziger Lenin-Werft nach Lohnerhöhungen erfüllt war, wollte man den Streik im August 1980 beenden. Es waren Frauen um die zu Unrecht entlassene Kranführerin Anna Walentynowicz, die zum Weiterstreiken animierten.

Wie hoch war der Anteil Frauen bei Solidarność?

Von zehn Millionen Mitgliedern waren die Hälfte Frauen. Sie übernahmen wichtige Aufgaben von der Pressearbeit bis zu Koordination und Führung.

Hatten sie nach der Wende im Jahr 1989 Führungspositionen inne?

Nein, viele bekamen durchaus gute Positionen in Wissenschaft, Medien und Lokalpolitik. Aber sie hatten nie Führungsaufgaben. Die Männer aber sehr wohl. Ex-Solidarność-Chef Lech Wałesa wurde sogar Staatspräsident.

Wie erklärt sich diese Kluft?

Unter anderem dadurch, dass die tragende Rolle der Solidarność-Frauen kaum bekannt ist. Das wiederum liegt an der patriarchalischen Tradition der polnischen Gesellschaft, die stillschweigend annimmt, dass politische Teilhabe genuin Männern zusteht. Auch das Geschichtsnarrativ schreibt die Heldenrolle nur Männern zu.

Kann der Film „Die Frauen der Solidarność“ da helfen?

Ja, zudem ist es nicht der einzige Aufarbeitungsversuch. Seit einigen Jahren schon beziehen junge polnische HistorikerInnen zunehmend die Genderfrage ein.

Was auch für Regisseurin Marta Dzido der Auslöser war.

Ja, sie ist Jahrgang 1981 und nennt sich „Tochter der Solidarność“ und fragte sich, warum deren Frauen vergessen sind.

Hat sie die Frauen gefunden?

Einige. Sie hat rund 15 Aktivistinnen interviewt und daraus eine – von bislang unbekannten Archivaufnahmen hinterlegte – Dokumentation gedreht.

Sind diese Frauen verbittert?

Nein. Aus den Interviews spricht eher eine Mischung aus Ernüchterung und Selbsterkenntnis. Da fragt sich etwa eine Journalistin, warum sie selbst nie über die Frauen der Solidarność berichtet hat. Und bemerkt, dass sie das männliche Geschichtsnarrativ bedient hat. INTERVIEW:PS

„Die Frauen der Solidarność“: 18 Uhr, Magazin Kino, Fiefstücken 8a. Die RegisseurInnen Marta Dzido und Piotr Sliwowski sind anwesend