Wie gefangen in einem versiegelten Korb

IRAK Bei der Offensive der Armee gegen den IS in Ramadi geraten Zivilisten zwischen die Fronten

Die Regierung setzt diesmal nur eigene Truppen ein

BERLIN taz | Die Schlinge um Ramadi zieht sich zu. Zwar hat die Regierung schon mehrfach Großoffensiven gegen die Hauptstadt der gleichnamigen irakischen Provinz angekündigt, die im Mai dieses Jahres von Kämpfern des „Islamischen Staates“ (IS) besetzt wurde. Ramadi liegt am Euphrat etwa 100 Kilometer westlich von Bagdad in einer mehrheitlich sunnitischen Region. Doch jetzt warten offizielle Stimmen mit Erfolgsmeldungen auf.

Demnach begann die jüngste Offensive am Dienstag im Morgengrauen mit der Überquerung des Flusses durch Bodentruppen, die von der Luftwaffe unterstützt wurden. Wie der Militärsprecher Sabah al-Numani weiter berichtete, wurden die Soldaten dabei von Scharfschützen und Selbstmordattentätern angegriffen. Danach seien die Streitkräfte in Richtung des Regierungskomplexes im Stadtzentrum vorgerückt. Am Sonntag hatte die Armee Flugblätter abgeworfen, in denen die Bevölkerung aufgerufen wurden, die Stadt binnen 72 Stunden zu verlassen.

Doch das ist nicht so einfach. Nach Angaben des irakische Geheimdienstes beläuft sich die Zahl der IS-Kämpfer in Ramadi auf 250 bis 300 Personen. Wie viele Zivilisten sich dort noch aufhalten, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen von mehreren Tausend bis zu mehreren Zehntausend aus. Anders als im Fall der Stadt Tikrit, wo der IS bei dem Angriff der Regierungstruppen die Zivilisten ziehen ließ, nutzt er diese nun als menschliche Schutzschilde.

Bewohner der Stadt sagten kürzlich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, wer sein Haus verlasse oder zu fliehen versuche, werde festgenommen. Familienoberhäupter riskierten, als Abschreckung von anderen getötet zu werden. „Wir haben das Gefühl, in einem versiegelten Korb zu sitzen,“ beschrieb einer der Einwohner Ramadis die Lage in der Stadt.

Selbst diejenigen, die entkommen können, sind deswegen nicht auf der sicheren Seite. Für irakischen Soldaten gelten die Flüchtlinge häufig als Dschihadisten.

Im Gegensatz zu früheren Offensiven setzt die Regierung in Bagdad dieses Mal nur eigene Truppen ein und keine schiitischen Milizen. Letztere waren bei früheren Offensiven gegen den IS in vorderster Front mit dabei und sind berüchtigt für ihre Menschenrechtsverletzungen gegenüber Sunniten. Dies geht offenbar auf Druck seitens der USA zurück, die neue Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten vermeiden wollen.

Nach Angaben des amerikanischen „Institute for the Study of War“ hat der IS inzwischen mit Gegenoffensiven nahe der Städte Tikrit, Samarra und ­Falludscha begonnen. Letzteres liegt zwischen Ramadi und Bagdad. Beate Seel