Volkes Retter

Mehr Demokratie Der Bürgerrechtsverein will „unfaire“ Referenden wie die Olympia-Abstimmung in Zukunft verhindern – durch einen Volksentscheid

Bei vier bedeutenden Themen kassierte das Volk zuletzt die Beschlüsse von Bürgerschaft und Senat:

29. 2. 2004: Der Volksentscheid „Gesundheit ist keine Ware“ untersagt dem CDU-Senat den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) an den Klinikkonzern Asklepios. Weil Volksentscheide noch nicht bindend sind, wird der LBK dennoch verkauft.

18. 7. 2010: Mit dem Volksentscheid „Wir wollen lernen“ wird die Primarschulreform des schwarz-grünen Senats, die auch SPD, Linke und FDP unterstützen, gekippt.

20. 9. 2013: Der Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ erzwingt gegen den Willen des SPD-Senats die Rekommunalisierung der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme.

29. 11. 2015: Beim Olympia-Referendum, vorgelegt vom rot-grünen Senat, den Regierungsfraktionen und der Opposition von CDU und FDP, votiert die Mehrheit gegen die Bewerbung Hamburgs um Olympische Spiele.

Manfred Brandt findet es „beruhigend“, dass das Olympia-Referedum am vorigen Sonntag mit einer Niederlage für den Senat und die Mehrheit der Bürgerschaft endete. Dennoch hält das Vorstandsmitglied von „Mehr Demokratie“ das Verfahren „nicht für fair“. Bei einem „Referendum von oben“ könnten Senat und Bürgerschaft Termin und Bedingungen diktieren und mit einem „monatelangen Medien-Feuerwerk“ ihre Sichtweise durchsetzen.

Dass dies gleich beim ersten Versuch eben nicht gelang, irritiert Manfred Brandt nicht. Man müsse Durchführung und Inhalt trennen, sagt der 70-jährige Agrarwissenschaftler und Mitbegründer des 1997 gebildeten Hamburger Landesverbands von „Mehr Demokratie“. Die Niederlage der Olympia-Befürworter „ändert nichts an der Einschätzung, dass mit einem Referendum Volksinitiativen im Keim erstickt werden können“.

Deshalb will „Mehr Demokratie“ mit der Volksinitiative „Rettet den Volksentscheid“ sogenannte „obligatorische Referenden“ bei Verfassungsänderungen durchsetzen. Dadurch soll erreicht werden, dass die Bürgerschaft nicht mehr mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Verfassung ändern kann. Dies hatten SPD, CDU und Grüne im Mai getan, als sie das Instrument des Referendums neu in die Verfassung schrieben. Die Fraktionen sollen künftig nur noch einen Vorschlag vorlegen dürfen, über den die BürgerInnen in einer Volksbefragung abstimmen müssen.

Um das zu erreichen, hat „Mehr Demokratie“ Ende September rund 14.500 Unterschriften vorgelegt und damit das Quorum bei Volksinitiativen erreicht. Bis Ende Januar muss nun die Bürgerschaft das Anliegen der Initiative debattieren. Akzeptiert sie es nicht, will „Mehr Demokratie“ im Juni 2016 ein Volksbegehren und im Erfolgsfall am Tag der Bundestagswahl – voraussichtlich im September 2017 – einen Volksentscheid durchführen. Sven-Michael Veit