Geht’s noch?
: Kleingeld für die Rentner

Weihnachtsmärkte überall – und keiner gleicht dem anderen: längst haben sie sich nach Einkommensklassen diversifiziert

Auf dem Berliner Alexanderplatz ist inzwischen das ganze Jahr über Weihnachtsmarkt -–als würden die paar Adventswochen nicht reichen. Zur Weihnachtszeit wird er einfach nur nach links mit „Großkarussells“ und nach vorne mit einer zweiten Eislaufbahn (um den Neptunbrunnen) erweitert. Auch vor und in den U-Bahnhöfen stehen vom Erdbeerstand ab Mai bis zum Regenschirmanbieter ab Oktober schlecht, aber schnell und bar bezahlte Arbeitsplätze für Rentner und Hartzer bereit.

Auf den etwa 100 Weihnachtsmärkten der Stadt können die Standkräfte ihr Geld dann gleich wieder ausgeben: auf dem ­Weihnachtsmarkt. Meistens auf die Schnelle – für Geschenke, weil sie sich ja quasi die ganze Zeit nicht von „ihrem“ Stand wegbewegen dürfen und wo sie deswegen auch bei milden Temperaturen langsam zu Eis erstarren. Ihre Klagen äußern sie jedoch auch ökonomisch: „Schlechtes Geschäft in diesem Jahr, ist zu warm“ – für handgestrickte Socken und dicke Mützen aus China etwa.

Einzig Glühwein geht immer. Aber vom Glühwein kriegen sie einen dicken Kopf und können dann nicht mehr richtig rausgeben – das erleichtert ihre Stand-Haft also auch nicht. Bei den Fahrgeschäften stellt man gern Haft-Entlassene ein, am Alex gibt es allein fünf geisterbahnähnliche Grusel- und Lachkabinette mit hohem Personalbedarf.

Auf dem gediegenen Gendarmenmarkt setzt man dagegen auf „Kunsthandwerk“ – für Leute, die über die Preise nur lachen können.

Die Weihnachtsmärkte haben sich also längst nach Einkommensklassen diversifiziert. Auch innerbezirklich: Auf dem Richardplatz in Neukölln „unterstützen Vereine, Organisationen und Verbände die karitative Zielsetzung dieses einzigartigen Weihnachtsmarktes im Schein unzähliger Petroleumlichter“.

Gleich um die Ecke findet wiederum „der wohl höchste Weihnachtsmarkt Berlins“ statt – auf dem Dach der Neukölln Arcaden.

Und auf dem „märchenhaften“ Guts­hof des Britzer Schlosses werden die „Geschenke“ vor den Augen der Käufer handgeschmiedet.

Helmut Höge