Bitte nur staatsgeprüfte Christen

USA Nach den Anschlägen von Paris wollen nur noch wenige US-Bundesstaaten syrische Flüchtlinge aufnehmen

„Wir können ­niemanden in Syrien anrufen und um Informa­tionen bitten“

Marco Rubio, Republikaner

NEW YORK taz | Bei Syrern hört die Großzügigkeit der USA auf. Nachdem bekannt wurde, dass einer der Attentäter von Paris möglicherweise als Flüchtling in die EU kam, erklärte am Montag eine stündlich wachsende Zahl von Gouverneuren, dass sie nicht bereit seien, hilfesuchende Syrer aufzunehmen.

Bobby Jindal, Gouverneur von Louisiana und republikanischer Präsidentschaftskandidat, machte den Auftakt, als er einen Erlass unterzeichnete und die Behörden beauftragte, „nach Wegen zu suchen, um die Ansiedlung von Flüchtlingen zu stoppen“. 25 weitere Gouverneure zogen nach – aus mehr als der Hälfte der Bundesstaaten. Die Mehrheit sind Republikaner, aber auch eine Demokratin.

Die Attentate von Paris haben auch den republikanischen Präsidentschaftswahlkampf radikal verändert. Statt um Steuern dreht er sich jetzt um Flüchtlinge: Die Kandidaten wetteifern darum, wer sich am radikalsten gegen Flüchtlinge ausspricht. Und wer die weitestgehende Abschottung propagiert.

Donald Trump, der seinen Wahlkampf von Beginn an mit Ressentiments (gegen Mexikaner) gespickt hat, ist jetzt „noch stärker als zuvor“ gegen syrische Flüchtlinge in den USA: „Wir haben keine Ahnung, wer diese Leute sind.“ Für den zweiten republikanischen Spitzenreiter, den Neurochirurgen Ben Carson, wäre es eine „Suspendierung des menschlichen Verstands“, Menschen aus dem Nahen Osten in die USA zu holen.

Senator und Kandidat Rand Paul verfasst gerade ein Gesetz, das Flüchtlinge aus bis zu 30 Ländern, in denen dschihadistische Bewegungen aktiv sind, das Asyl in den USA verwehren soll. Gouverneur und Kandidat Chris Christie will die USA sogar für fünfjährige Waisenkinder aus Syrien dichtmachen.

Senator und Kandidat Marco Rubio, der es bis vor einigen Tagen noch akzeptabel fand, mehr Flüchtlinge aus Syrien – insbesondere, wenn sie Christen sind – aufzunehmen, sagt nun: „Wir können niemanden in Syrien anrufen und um Informationen bitten“. Und Jeb Bush meint, Syrer sollten nur aufgenommen werden, wenn sie Christen sind und das nachweisen können.

Seit Beginn des Konflikts haben die USA nur 2.100 syrische Flüchtlinge aufgenommen. Selbst mit der jüngsten Ankündigung von Barack Obama, im nächsten Jahr 10.000 weitere Syrer ins Land zu lassen, bleibt der 300-Millionen-Einwohner-Staat weit hinter vielen europäischen Ländern und erst recht hinter den Nachbarländern Syriens zurück.

Seltsam klingt auch der Einwand, dass das Prüfungsverfahren unzuverlässig sei. Denn kein Land prüft seine Asylbewerber akribischer als die USA. Zwischen Antragstellung und einer Einreise in die USA vergehen mindestens zwei Jahre. Solange die US-Behörden „Backgroundchecks“ und persönliche Befragungen machen, müssen die Flüchtlinge im Ausland warten – meist in Lagern im Nahen Osten.

Und schließlich kontrastiert die Abschottung auch mit den Biografien vieler Präsidentschaftskandidaten: Jindals Vorfahren stammen aus Indien. Trump war schon mit einigen Ausländerinnen verheiratet. Ted Cruz und Rubio stammen von kubanischen Einwanderern ab. Und Bush hat eine mexikanische Gattin.

Offen für Flüchtlinge zeigt sich hingegen der US-Präsident. „Die USA müssen sich anstrengen und ihren Teil tun“, sagte Barack Obama, „es wäre ein Verrat unserer Werte, die Tür vor Flüchtlingen zuzuschlagen“. Er nannte es „beschämend“, dass Politiker, „von denen manche selbst aus Familien kommen, die vor politischer Verfolgung geschützt wurden“, vorschlagen „nur Christen, nicht aber Muslime aufzunehmen und religiöse Tests für Menschen zu machen, die aus einem kriegszerstörten Land fliehen“.

Ohne die Gouverneure und Präsidentschaftskandidaten namentlich zu nennen, sagte Obama: „Das ist nicht amerikanisch.“ Dorothea Hahn