„Wir werden sie überwinden!“

USA Vier Tage nach dem Massaker von San Bernardino warnt Präsident Barack Obama vor der terroristischen Bedrohung, aber auch vor antimuslimischen Reflexen

Erst zum dritten Mal sprach Obama direkt aus dem Oval Office Foto: Yuri Gripas/reuters

Aus New York Dorothea Hahn

In einer Mischung aus Kriegsrede und politischer Mahnung hat Barack Obama am Sonntag versucht, seinen Landsleuten Mut zuzusprechen. Vier Tage nach dem Massaker auf einem Weihnachtsfest in San Bernardino sagte er: „Die terroristische Bedrohung ist real, aber wir werden sie überwinden.“

Der Anschlag von San Bernardino, bei dem in der vergangenen Woche 14 Menschen erschossen und 21 weitere verletzt wurden, hatte einige der schlimmsten Befürchtungen von Terrorismusexperten bestätigt. Die mutmaßlichen Täter hatten zuvor eine legale Existenz in den USA geführt: ein verheiratetes Pärchen mit einem sechsmonatigen Baby; er ein gebürtiger US-Amerikaner aus einer pakistanischen Familie, sie eine gebürtige Pakistanerin, die in Saudi-Arabien aufgewachsen und zum Heiraten vor wenigen Monaten eingereist war. Sie waren keiner Sicherheitsbehörde aufgefallen. Am Mittwoch kamen Syed F. und Tashleen M. wenige Stunden nach dem Massaker bei einer Schießerei mit der Polizei selbst ums Leben.

Seither ist in den USA die Angst vor weiteren Anschlägen gestiegen. Bei Umfragen befürchten über 80 Prozent weitere Attentate. Die Anwärter auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur, allen voran der derzeitige Spitzenreiter Donald Trump und Nummer zwei Ted Cruz, schüren diese Ängste und verlangen eine Verstärkung der US-Militäreinsätze in Syrien und im Irak sowie eine Sonderbehandlung von muslimischen Einwanderern in den USA.

Obama hat den Mördern von San Bernardino nicht den Gefallen getan, seine militärische Strategie zu verändern. Im Gegenteil: In seiner Rede vom Sonntag kündigte er die Fortsetzung dessen an, was die USA ohnehin tun: Einsätze von Spezialtruppen am Boden, Drohnen, die Zusammenarbeit mit den „engsten Alliierten – Frankreich, Deutschland und Großbritannien“ – und auch die Führung einer Koalition von 65 Ländern.

Es war Obamas dritte direkte Ansprache aus dem Oval Office. Zuvor hatte er das Büro nur für eine Rede anlässlich der größten Ölkatastrophe im Golf von Mexiko (die Explosion der BP-Bohrinsel Deepwater Horizon im Frühjahr 2010) und für eine weitere über den Abzug der US-Kampftruppen aus dem Irak benutzt. An diesem Sonntag sah er um Jahre älter aus und hatte tiefe Ränder unter den Augen.

Zu keinem Zeitpunkt zog der Präsident Parallelen zwischen San Bernardino und Attentaten im Ausland – wie jenen gegen Charlie Hebdo im Januar und jene vom 13. November in Paris. Er erwähnte auch nicht die beiden – offiziell mit den USA verbündeten – Länder Pakistan und Saudi-Arabien, aus denen die weibliche Attentäterin von San Bernardino kam, die am Tag des Massenmords dem IS-Chef per Facebook ihre Treue schwor.

„Wir dürfen nie ­vergessen, was uns besonders macht: der Glaube an die menschliche Würde“

Stattdessen sprach Obama von seiner eigenen Rolle im Antiterrorkampf und über die Ängste seiner Landsleute. „In den zurückliegenden sieben Jahren war ich jeden Morgen mit der Entwicklung dieser Bedrohung konfrontiert“, sagte er. „Ihre Sicherheit ist meine größte Verantwortung. Und ich weiß, dass nach so viel Krieg viele Amerikaner fragen, ob dies ein Krebs ist, für den es keine unmittelbare Heilung gibt.“

Zugleich lehnte der Präsident es ab, sich „erneut in einen langen und teuren Bodenkrieg im Irak oder in Syrien ziehen zu lassen“. Er warnte davor, den Antiterrorkampf zu einem „Krieg zwischen Amerika und dem Islam“ werden zu lassen. Beides sei „das, was der IS will“. Er beschrieb den IS als „Verbrecher und Killer. Als eine kleine Minderheit unter einer Milliarde Muslimen weltweit.“

In einer direkten Reaktion auf die antimuslimischen Erklärungen von republikanischen Politikern in den vergangenen Tagen sagte Obama, dass die muslimische Gemeinschaft in den Antiterrorkampf einbezogen werden müsse, statt sie zu isolieren. Religiöse Tests für Muslime, misstrauische und hasserfüllte Sprache gegen Muslime und Diskriminierungen von Muslimen müssten vermieden werden, mahnte Obama. „Wir sind auf der richtigen Seite der Geschichte“, sagte der US-Präsident und erinnerte an ein paar Basics – allen voran die Religionsfreiheit: „Wir dürfen nie vergessen, was uns besonders macht: der Glaube an die menschliche Würde. Ganz egal, wie jemand aussieht oder welche Religion er praktiziert, alle sind vor Gott und im Angesicht des Gesetzes gleich.“