Drei Zeugen, viele Pannen

AUFKLÄRUNG Vor dem Untersuchungsausschuss zum Anti-Terror-Einsatz in Bremen sagten bereits Innensenator und Sonderermittler aus. Am Donnerstag folgte der Polizeipräsident – abgeschlossen ist damit aber gar nichts

Was ging da schief? Schwer bewaffnete Polizisten vor eine Bremer Synagoge   Foto: Carmen Jaspersen/dpa

von Jean-Philipp Baeck

Geheime Behördenvorgänge, Verschlusssachen, Quellenschutz – vieles von dem, was die Abgeordneten in Bremen seit Dienstag im Untersuchungsausschuss besprechen, bleibt hinter verschlossenen Türen. Sie wollen klären, was alles schiefging, bei jenem Anti-Terror-Einsatz im Februar in Bremen, in dessen Zuge unter anderem eine Moschee rechtswidrig durchsucht und schwer bewaffnete Polizisten an öffentlichen Plätzen und vor der Synagoge aufgestellt wurden. Mehrere Verdächtige aus Frankreich sollten sich nach Bremen auf den Weg gemacht haben, 60 Uzi-Maschinengewehre für einen möglichen Anschlag bereit stehen. Gefunden wurden die bis heute nicht und auch sonst kam bislang wenig heraus – außer Pannen bei den Sicherheitsbehörden.

Sonderermittler Dietrich Klein hatte einen Teil dieser Fehler schon im April in einem Bericht aufgeführt und am Mittwoch bei seiner Aussage wiederholt: In das Auto eines Verdächtigen etwa wurde nur von außen hineingeschaut, statt es zu durchsuchen, auch ein Handy war aus Versehen zu früh zurückgegeben worden, noch bevor es überprüft worden war. Eine unschuldige Familie wurde unverhältnismäßig lang wegen Terror-Verdachts festgehalten. Und: Trotz der Vermutung, es könnten Kriegswaffen darin versteckt sein, wurde das „Islamische Kulturzentrum“ (IKZ) an jenem Tag vier Stunden lang nicht observiert – laut Klein wegen eines Missverständnisses in der Übergabe. Überhaupt sei die Abstimmung mangelhaft und der Polizeiführer überfordert gewesen, es habe Personal gefehlt.

Vor dem Sonderermittler hatte am Dienstag zunächst Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) vor den Abgeordneten aussagen müssen. Am Donnerstag nun war Polizeipräsident Lutz Müller geladen – bis Redaktionsschluss unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Schon vor dessen Befragung war allerdings klar: An jenem Wochenende herrschten Differenzen zwischen Polizei und politischer Führung. Vor allem, was die Durchsuchung der Gebetsräume des IKZ anging: Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt hatte am Mittwoch den Sonderermittler mit Aussagen konfrontiert, wonach der zuständige Polizeiführer große Skepsis gegenüber den Quellen der Bundesbehörden geäußert hatte. Statt die Moschee wegen Gefahr im Verzug sofort zu stürmen, hatte die Polizei deshalb den Staatsanwalt eingeschaltet, der einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss einholte. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hingegen bedauerte am Dienstag, dass die Moschee nicht bereits am Samstagmorgen sofort durchsucht worden war.

Am 28. Februar patrouillierten Polizisten mit Maschinenpistolen, Ermittlungen auf Hochtouren.

Es bestand der Verdacht, dass sich mehrere Attentäter aus Frankreich nach Bremen aufgemacht hätten.

60 Maschinenpistolen sollten im „Islamischen Kulturzentrum“ (IKZ) verteilt worden sein, einer radikal-islamischen Moschee, die unter Beobachtung steht.

Bei Durchsuchungen von zwei Beschuldigten und der Moschee fand die Polizei keine Beweise.

Das Bremer Landgericht erklärte die Durchsuchung des IKZ im Juli für rechtswidrig.

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) bekräftige vor dem Untersuchungsausschuss: „Wir waren mit einer konkreten Gefahr konfrontiert.“

Die Razzia allerdings hatte das Landgericht Bremen im Juli für rechtswidrig erklärt – laut Sonderermittler Klein vor allem, weil der entscheidende Hinweis, der vom Zoll gekommen war, an keiner Stelle schriftlich festgehalten war. Weder er, noch die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses bekamen ihn bislang zu sehen. Laut Zoll gehe es um Quellenschutz, so sehr, dass die Geheimsache nicht einmal von jenen gelesen werden darf, die dazu berechtigt wären: Alle Mitglieder des Ausschusses sind im Fachjargon „VS Geheim lesebefugt“.

Die Linke Vogt ist deshalb misstrauisch. Für sie steht im Raum, dass die Quelle womöglich überhaupt nicht existiert oder ihre Aussage zu wirr ist, um sie aufzuschreiben. Auch der Sonderermittler und ehemalige Staatsanwalt Klein erklärte: Es sei in anderen Verfahren üblich, Informationen so zu verschriftlichen, dass Quellen weiterhin geschützt blieben. Dass die Zollbehörde sich dem verweigere, sei für ihn „nicht nachvollziehbar“. Dass es allerdings Sinn ergab, gegen das IKZ zu ermitteln, steht für ihn außer Frage: Bezüge zum IKZ seien immer wieder aufgetaucht – auch bei Hinweisen einer anderen Quelle im Oktober.