Es gibt viele Gründe, einfach mal stiften zu gehen

Veränderung Stiftungen können im Kleinen wie im Großen einiges bewirken. Wer Geld stiftet, tut nicht nur Gutes, sondern kann auch noch Steuern sparen. Vor allem aber geht es um Transparenz, Nachhaltigkeit und Einflussnahme auf demokratische Weise

Karneval der Kulturen in Neukölln: Engagement für ein multiethnisches Gemeinwesen Foto: Tobias Schwarz/reuters

Von Kristina Simons

Im Berliner Bezirk Neukölln leben Menschen aus 160 Nationen. Es ist ein Experimentierfeld für Multikulti, das mal als gelungen – etwa beim Karneval der Kulturen –, mal als gescheitert gilt. „Anfang der nuller Jahre wurde das Zusammenleben der vielen Kulturen hier von vielen eher als Problem wahrgenommen“, erinnert sich Deniz Eroğlu, operativer Geschäftsführer der Bürgerstiftung Neukölln. „Dem wollten und wollen wir etwas entgegensetzen, ein diskursives Gegengewicht schaffen. Es gibt in Neukölln so viel Positives und so viele Potenziale, die wir zeigen und wecken wollen.“ Aus dieser Motivation heraus entstand 2005 die Bürgerstiftung Neukölln. Darin fanden sich gesellschaftspolitisch motivierte Menschen mit einer Nachbarschaftsinitiative zusammen, die regelmäßig sonntags einen Trödelmarkt veranstaltete und den Erlös für einen guten Zweck spenden wollte.

Die Idee der Bürgerstiftung war damals noch relativ neu, nahm aber rasant Fahrt auf. Heute gibt es in Deutschland 387 dieser gemeinnützigen Stiftungen von Bürgern für Bürger, die lokal begrenzt und thematisch möglichst breit aufgestellt sind. Rund 30.000 Stifter engagieren sich hier finanziell mit meist kleineren Beträgen.

Bei der Bürgerstiftung Neukölln brachten gut 180 Stifter – Einzelpersonen, Unternehmen, Migrantenvereine, christliche und muslimische Religionsgemeinschaften, Schul- und Mietergemeinschaften – ein Gründungskapital von fast 70.700 Euro zusammen. Seit Gründung hat sich das Stiftungskapital verdoppelt. Ab 500 Euro kann sich hier beteiligen, wer sich für den Bezirk und ein multiethnisches Gemeinwesen engagieren will. „Es gibt aber auch die Möglichkeit, Zeit zu stiften“, ergänzt Eroğlu. „Wir wollen damit offen sein für alle, das ist gerade in einem armen Bezirk wie Neukölln wichtig.“ Die Zeit-Stifter haben das gleiche Stimmrecht in der Stifterversammlung wie die Geld-Stifter.

Neben insgesamt zwölf eigenen Stiftungsprojekten, zum Beispiel einem Mentorenprojekt für Neuköllner Oberschüler oder dem Projekt „Neuköllner Talente“, bei dem die Begabungen, Interessen und Wünsche von Grundschülern geweckt und gefördert werden, hat die Stiftung über den N+Förderfonds seit 2007 bereits 120 gemeinwohlorientierte, zivilgesellschaftliche, multiethnische, nachbarschaftliche Projekte mit kleineren Beträgen zwischen mehreren 100 und wenigen 1.000 Euro unterstützt. Er speist sich vor allem aus den Erlösen des nach wie vor veranstalteten Trödelmarkts.

Es gibt in Deutschland aktuell insgesamt rund 21.000 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, über die Hälfte davon gründete sich in den letzten 15 Jahren. Ihre Zahl wächst jedes Jahr um etwa 700. 95 Prozent der Stiftungen sind gemeinnützig; sie verfolgen also gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke. Das macht sie auch unter steuerlichen Gesichtspunkten interessant: Die Spenden können als Sonderausgaben bei der Steuererklärung abgezogen werden, und zwar in Höhe von insgesamt bis zu 20 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des Steuerpflichtigen. Wer im Jahr mehr spendet, kann das in den Folgejahren im Rahmen der Höchstbeträge als Sonderausgaben geltend machen.

Um eine eigene Stiftung zu gründen, benötigt man mindestens 50.000 Euro als Startkapital. Empfohlen wird die Gründung aber oft erst ab Summen im sechsstelligen Bereich. Einfacher und günstiger ist deshalb für viele eine Zustiftung, mit der man eine bereits bestehende Stiftung unterstützt. Zustiftungen können auf Antrag des Steuerpflichtigen im Jahr der Zuwendung und in den folgenden neun Jahren bis zu einem Gesamtbetrag von einer Million Euro abgezogen werden, und zwar neben dem üblichen Spendenabzug.

Bei größeren Summen kann auch eine eigene Treuhandstiftung infrage kommen, die zum Beispiel von einer übergeordneten Stiftung verwaltet wird. Eine besondere Form der Zustiftung ist zudem der Stiftungsfonds, der meist zweckgebunden ist und getrennt ausgewiesen wird. Seit 2013 gibt es außerdem mehr Rechtssicherheit für die Verbrauchsstiftung. Sie wird für eine bestimmte Zeit ins Leben gerufen (mindestens zehn Jahre) und ihr Vermögen soll für die Zweckverfolgung verbraucht werden. Hier gibt es keine erhöhten steuerlichen Abzugsmöglichkeiten wie bei der Zustiftung, sondern nur die üblichen bis zu 20 Prozent der Gesamteinkünfte.

Wichtig ist, vom Zweck her zu denken: Was will ich mit dem Geld verwirklichen?

„Die deutsche Stiftungslandschaft ist sehr bunt“, sagt Katrin Kowark, Sprecherin des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Ein gutes Viertel hat einen Kapitalstock von bis zu 100.000 Euro, 46 Prozent von bis zu einer Million. „Stiftungen mit mehr als 100 Millionen Euro machen gerade mal 0,8 Prozent aus“, so Kowark. Gemeinsamkeiten sind ihnen Transparenz, Nachhaltigkeit und die Möglichkeit, auf demokratische Weise Dinge zu verändern. Der Bundesverband hilft Stiftungswilligen unter anderem mit Checkliste und Mustersatzungen, individuellen Beratungen für Gründungen oder Zustiftungen und einer Datenbank deutscher Stiftungen dabei herauszufinden, in welcher Form sie stiften wollen und wo. „Wichtig ist, vom Zweck her zu denken: Was sind die Ziele, was will ich verwirklichen, passt dazu die Summe, die ich stiften will?“

Wer zum Beispiel Protestkampagnen finanziell unterstützen will, ist bei der Bewegungsstiftung genau richtig. Die Gemeinschaftsstiftung fördert soziale Bewegungen, die sich für Ökologie, Frieden und Menschenrechte einsetzen, mit Geld und Beratung. „Wir fördern da, wo andere damit aufhören“, sagt Sprecherin Wiebke Johanning. „Bei Protest und Aktionen auf der Straße steigen die meisten Stiftungen aus. Uns geht es aber darum, gesellschaftliche Missstände an der Wurzel anzupacken. Deshalb fördern wir soziale Bewegungen als Motoren politischen Wandels.“ Dass diese oft aus finanziellen Gründen scheitern und sie auch nicht so einfach Gelder auftreiben können, haben die selbst politisch aktiven Gründer am eigenen Leib erfahren. Und genau das hat sie 2002 motiviert, ihr Erbe in eine Stiftung zu investieren und so mehr Initiativen zu ermöglichen.

Aktuell unterstützt die Bewegungsstiftung 19 Projekte, die ihren Grundregeln entsprechen, etwa fair gegenüber politischen Gegnern, gewaltfrei, transparent und strategisch ausgerichtet sind. Konkrete Kampagnen werden mit Summen von 3.000 bis 15.000 Euro gefördert. Eine Basisförderung zwischen 20.000 und 100.000 Euro, etwa für die Organisationsentwicklung oder den Aufbau von Fundraisingprojekten, können Bewegungen erhalten, die bereits einmal von der Stiftung unterstützt wurden.