Portrait: Der Verflüssiger
Jetzt hat er doch ein bisschen Gott gespielt. Dabei will Klaus Rätzke eigentlich nur Materialwissenschaftler sein und jene Strukturen der Natur beschreiben, die „Baufehler“ haben. Ein Kristall etwa, das nicht perfekt symmetrisch ist, weil einige Atome fehlen.
Aber als Forscher am Kieler Institut für Materialwissenschaft erfindet der 50-Jährige auch neue Materialien, erweitert quasi Gottes Repertoire. Jetzt zum Beispiel hat Rätzkes Team gemeinsam mit Belfaster Kollegen die erste löchrige Flüssigkeit entwickelt.
Deren winzigste Poren sieht man natürlich nicht unterm Mikroskop. Um ihre Existenz zu beweisen, muss man sie mit Antimaterie beschießen. Wenn die überlebt, ist da ein Vakuum. Das sei schwer herzustellen, sagt der gebürtige Karlsruher, der sich langsam in Rage redet: „Um das hinzubekommen, muss man erst mal auf die Idee kommen, welche Stoffe wie zu kombinieren sind.“
Konkret haben die Forscher Vakuen beziehungsweise Molekül-Käfige mit „Schmierseife“ aus Kronenether zu einer Flüssigkeit verbunden. Der Trick dabei: Die „Schmierseife“ darf nicht in die Poren rinnen. Jetzt bewies das Rätzke-Team: Es funktioniert. Die Vakuen bleiben leer, Experiment geglückt.
Doch was fängt man jetzt damit an? „Das“, sagt Rätzke, „war zum Glück mal reine Grundlagenforschung.“ Will sagen: Forscher stellen ein neues Material her und warten auf Anfragen aus der Industrie. Aber natürlich habe man Anwendungen im Kopf: Man könne das Material zum Transport von Methan oder als Flüssigfilter für Autoabgase verwenden.
Gefahren berge das nicht: „Ich sehe weder eine gesundheitsgefährdende noch eine militärische Anwendung“, sagt Rätzke. Andererseits könne man ja auch mit einem Kugelschreiber Leute ermorden. „Das sagt uns schon das Yin und Yang, dass man alles konstruktiv oder destruktiv verwenden kann.“
Aber bis dahin sei der Weg noch weit: Zunächst sei der Versuch gelungen, und die Existenz interpretierbarer Ergebnisse mache ihn glücklich: „Wenn Sie zehn Werte gemessen haben, die brav auf einer Geraden liegen, können Sie deren Steigung berechnen. Wenn die Punkte aber im Kreis herumliegen: Dann wird es spannend.“ PS
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen