CDU sorgt sich um Geringverdiener

WOHNEN Sozialsenator Czaja will höhere Mietzuschüsse nicht nur für Flüchtlinge

Die Überschreitung wird in manchen Jobcentern längst praktiziert

Im Senat gibt es Streit darüber, wie Flüchtlingen die Wohnungssuche erleichtert werden kann. Eine Vorlage von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) zur Erhöhung der Mietzuschüsse für Menschen, die aus Gemeinschaftsunterkünften ausziehen wollen, wurde am Dienstag vertagt. Czajas Sprecherin Regina Kneiding bedauerte dies am Donnerstag gegenüber der taz. „Wir wollen doch nur dafür sorgen, dass Menschen mit geringem Einkommen in Wohnungen ziehen können.“

Wie hoch Mieten sein dürfen, wenn der Staat sie im Rahmen der Grundsicherung übernimmt, regelt die Anwendungsverordnung (AV) Wohnen. Laut Kneiding kann die bislang dort festgelegte Höchstgrenze schon jetzt um bis zu zehn Prozent überschritten werden, etwa, wenn ein Umzug „unausweichlich“ sei. Der Vorschlag der Sozialverwaltung sieht vor, diesen Zuschlag bei Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, auf 20 Prozent anzuheben. Wenn sie bereits über sechs Monate nach einer Wohnung suchen, sogar um 30 Prozent. „Davon würden nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Obdachlose und Frauen in Frauenhäusern profitieren“, so Kneiding.

Im Senat stieß dies offenbar vor allem bei der SPD-geführten Verwaltung für Stadtentwicklung auf Widerspruch. Czajas Vorschlag hätte generell „zu einer stärkeren Erhöhung der Mieten geführt“, so deren Befürchtung laut ihrer Pressestelle. „Völliger Quatsch“, sagt dazu die sozialpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Elke Breitenbach. Czajas Verwaltung habe mit ihrem Vorschlag zugegeben, dass mit den Höchstgrenzen der AV Wohnen „kein Wohnraum anzumieten ist“. Das gelte für alle Leistungsempfänger: Die Erhöhung für Flüchtlinge sei „ein erster Schritt. Aber die AV Wohnen muss für alle verändert werden“, so Breitenbach.

Die Überschreitung wird in manchen Jobcentern längst praktiziert. Laut einer internen Mail aus dem Jobcenter Pankow, die der taz vorliegt, ergingen dort bereits im Juni entsprechende Anweisungen. Bei der Unterbringung von „Großfamilien syrischer Flüchtlinge“ aus mindestens zwei Erwachsenen und vier Kindern sollten Wohnungsangebote auch „bei Überschreitung der Angemessenheitsgrenze“ nicht grundsätzlich abgelehnt werden, heißt es. Dies gehe auf eine Bitte des bezirklichen Sozialamts zurück, dessen Zustimmung künftig „im Einzelfall“ einzuholen sei.

Die zulässige Grenze für Bruttokaltmieten (Miete inklusive Nebenkosten) liegt derzeit für einen Einpersonenhaushalt bei 354,50 Euro. Ein Zwei-Personen-Haushalt darf maximal 473 Euro, vier Personen 587 Euro für die Bruttokaltmiete ausgeben. Dazu übernimmt das Jobcenter Heizkosten zwischen 80 und 185 Euro monatlich je nach Heizart und Haushaltsgröße.

Berlin hat in diesem Jahr laut Sozialverwaltung bislang 62.000 Asylbewerber aufgenommen. Die meisten leben in Gemeinschafts- und Notunterkünften. Darunter sind Tausende schon anerkannte Flüchtlinge, die aber keine Wohnungen finden. Laut einer aktuellen Infratest-dimap-Umfrage im Auftrag von RBB und der Berliner Morgenpost befürchten 58 Prozent von 1.001 befragten BerlinerInnen eine stärkere Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt infolge der steigenden Flüchtlingszahlen. Nur 38 Prozent der BerlinerInnen halten die Aufnahme weiterer Flüchtlinge für möglich.

Susanne Memarnia, Alke Wierth