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: Grüße von der’Ndrangheta

Bringt der Kampf gegen Doping eigentlich etwas? Nun ja, er bringt zumindest etwas ein. Das Geschäftsmodell, das der frühere Präsident des Internationalen Leichtathletikverbandes, Lamine Diack, mit ein paar Helfern etablierte, hätte auch die’Ndrangheta nicht besser erfinden können. Fiel ein Sportler mit einem positiven Dopingtest negativ auf, dann verlangte der Verbandschef der IAAF Schutzgeld, damit die Öffentlichkeit nichts von der Probe erfuhr. Das Geld wanderte auf ein Konto in Singapur, und Erpresser wie Erpresster gin­gen danach wieder ihren Geschäften nach. Die Dimensionen des Betrugs sind immens. Was der Sportfunktionär Diack da aufgezogen hat, sprengt wohl sogar die Vorstellungskraft von so manchem Funktionär des Fußball-Weltverbandes.

Die Fifa trug bislang die Hauptlast der Anschuldigungen. Das liegt an der Größe und der Beliebtheit des Ballsports, auch an der Höhe der bewegten Geldsummen. Im Schatten des großen Verbandes hat es ein kleinerer Verband wild getrieben und den größeren Bruder in Sachen krimineller Energie sogar noch übertroffen. Verblüffend ist, dass die Abzocke innerhalb der IAAF funktionieren konnte. Es liegt auf der Hand, warum der dopingverseuchte russische Landesverband auf die Erpressungsversuche einging: weil er so viel zu verbergen hatte.; weil Russland sein Doping staatlich organisierte und schlechterdings erpressbar war. Aber warum fiel das alles dem IAAF-Vizepräsidenten Coe nicht auf?

Sebastian Coe hat acht Jahre unter Diack gedient. Im Sommer ist er dessen Nachfolger geworden. Coe will von dem korrupten System Diack nichts mitbekommen haben. Er spricht nun von „bösen Männern“, die ihre Macht missbraucht hätten. Die Leichtathletik werde einen langen „Weg der Wiedergutmachung“ gehen müssen. Das sind schöne Worte, mehr nicht. Coe muss seinen Verband umkrempeln und ihm Verhaltensregeln einer modernen Sportverwaltung beibringen. Das Problem ist freilich, dass es dieses Muster einer transparenten, demokratischen und wahrhaft gemeinnützigen Sportverwaltung nicht gibt. Coe, der ein Meister über 1.500 Meter war, muss als Funktionär die Ausdauer eines Marathonläufers entwickeln. Und selbst dann weiß man nicht, wie das Rennen um Aufrichtigkeit ausgeht. Markus Völker