Luxemburgs Außenminister Asselborn: „Die EU kann auseinanderbrechen“
Die EU könnte an der Flüchtlingskrise scheitern – vor allem dann, wenn falscher Nationalismus eine gemeinsame Lösung verhindert, sagt Jean Asselborn.
LUXEMBURG dpa | Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat angesichts der Flüchtlingskrise vor einem Zerfall der Europäischen Union und einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen den EU-Staaten gewarnt. „Die Europäische Union kann auseinanderbrechen. Das kann unheimlich schnell gehen, wenn Abschottung statt Solidarität nach innen wie nach außen die Regel wird“, sagte Asselborn der Deutschen Presse-Agentur in Luxemburg.
Auch die 1985 im luxemburgischen Schengen vereinbarte Abschaffung der Grenzkontrollen, an denen sich mittlerweile 26 europäische Länder beteiligen, sieht der Minister bedroht: „Wir haben vielleicht noch einige Monate Zeit.“
Deutschland und die meisten EU-Länder hätten verstanden, dass die Genfer Flüchtlingskonvention gelte, sagte Asselborn, dessen Land derzeit turnusgemäß den Ratsvorsitz der EU führt. In der EU seien aber auch „einige dabei, die haben wirklich die Werte der Europäischen Union, was ja nicht nur materielle Werte sind, nicht richtig verinnerlicht“. „Der Kitt, der uns zusammenhält, ist noch immer die Kultur der humanen Werte. Und dieser falsche Nationalismus kann zu einem richtigen Krieg führen“, sagte der Außenminister.
Es gebe Politiker und Parteien, die das Thema Migration „bewusst ausschlachten“, um Ängste zu schüren. „Genau hier muss man dieser Irreführung entgegenwirken“, sagte der 66-Jährige. Zudem müsse das Vertrauen gestärkt werden, dass „die Werte der EU nicht über Bord geworfen werden“.
„Wenn in Schweden und in Deutschland der Deckel zugemacht wird, dann weiß ich nicht, was auf dem Balkan geschieht“, sagte Asselborn weiter. „Ich glaube schon, dass es eine sehr, sehr kritische Situation ist, die wir jetzt haben.“
„Die Gefahr ist ganz klar da“, sagte Asselborn auf die Frage, ob das Schengen-System gefährdet sei, das auf gesicherten EU-Außengrenzen beruht. „Wenn wir keine europäische Lösung für diese Migrationskrise bekommen, wenn immer mehr Länder glauben, dass sie nur national an diese Sache herangehen können, dann ist Schengen tot.“
Wenn Schengen falle, falle auch „die größte Errungenschaft der Europäischen Union“ – mit gravierenden Folgen für den Alltag der EU-Bürger: Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen würde „alles, Grenzgänger, die Wirtschaft, den Tourismus“ betreffen, sagte Asselborn. Bei der Kontrolle der Außengrenzen gehe es nicht um Abschottung, sondern „darum, zu wissen, wer warum zu uns kommt oder Schutz sucht“.
Leser*innenkommentare
vergessene Liebe
Hmm.. ich meine der Herr Asselborn argumentiert verkehrt!
Wie wär´s, den laufenden Konflikt zw ischen EU und dem Mittleren Osten..
als einen Konflikt zwischen der relativ jungen Kultur der säkulären Aufklärung
(mit Emanzipationsideen, Humanismus, Wissenschaft und Kunst)..
..mit dem historischen Erbe dogmatischer und ritueller Religionskultur und Ideologiekulturen zu sehen?
Asselborn sollte besser Fehler im Prozess der säkulären EU Aufklärungskultur einräumen um den Prozess der "Dialektik der Aufklärung",
die `europäischen globalWerte´, zu stabilisieren !
Es gilt, die hässliche Rhetorik des Rechtstrends und dessen Propaganda
als ne´ Herausforderung an die
Rhetorik der säkulären Aufklärungskultur zu nutzen!
Es geht m.E. um den `europäischen Geist der säkulären Aufklärung´der die EU Kultur der politischen Demokratien und der entgleisten Ökonomien trägt!
Jürgen Rittmeier
Eine Gemeinschaft, bei der einzelne Mitgliedsstaaten davon levben die anderen zu betrügen die ist nicht viele wert.
Oder wie darf ein Geschäftsmodell betrachtet werden, dass großen Firmen Steuern erspart von Umsätzen die wo anders gemacht werden. Siehe Luxenburg, Irland und Holland.
Gesunder Menschenverstand
Ehrlich gesagt würde ich dieser EU keine Träne nachweinen. In dieser krisenhaften Situation zur Flüchtlingsbetreuung gibt es kein solidarisches Verhalten, ebenso wie es in Steuerfragen keine Solidarität sondern nur Steuerbeschiss durch die Großkonzerne gibt.
Wenn die EU dann zerfallen sein wird, können die kleinen Länder, die jetzt Obstruktion betreiben, in Ruhe darüber nachdenken, wo sie ihre neue Nische finden.
Nicky Arnstein
"...vor allem dann, wenn falscher Nationalismus eine gemeinsame Lösung verhindert"
Falscher Nationalismus? Was wäre denn richtiger Nationalismus? Ein grenzüberschreitender europäischer Nationalismus?
"Es gebe Politiker und Parteien, die das Thema Migration „bewusst ausschlachten“, um Ängste zu schüren. „Genau hier muss man dieser Irreführung entgegenwirken“, sagte der 66-Jährige. Zudem müsse das Vertrauen gestärkt werden, dass „die Werte der EU nicht über Bord geworfen werden“."
Irreführung liegt aber auch vor, wenn Politiker auf die Ängste (ob bergründet oder nicht ist völlig schnuppe) mit Sprechblasen wie "Wir schaffen das" reagieren und Konflikte, die nun mal vorhanden sind, unterm Teppich kehren. Politiker müssen in jeder Hinsicht ehrlich sein und die Menschen nicht wie dumme, kleine Kinder behandeln.