USA und Kanada

Aus für umstrittene Pipeline: Sie hätte weder den Ölpreis ­gesenkt noch viele Jobs geschaffen, sagt der US-Präsident

Auch für Kanadas Ölbarone werden die Zeiten jetzt rauer

Konsequenzen Barack Obamas Aus für die Keystone-XL-Pipeline gefährdet die ehrgeizigen Pläne der kanadischen Erdölindustrie

CALGARY taz | Es ist noch nicht lange her, vor gut zwei Jahren, da nannte der damalige kanadische Premierminister Stephen Harper die Keystone-XL-Pipeline einen „Selbstläufer“. Ein Nein der USA zur Megaröhre werde er nicht akzeptieren, erklärte er.

Er wird es wohl doch tun müssen, denn die US-Regierung hat die Pipeline am Freitag endgültig abgelehnt. Harper wollte Kanada zur Rohstoff-Supermacht ausbauen. Mithilfe von Key­stone-XL und drei weiteren Pipelineprojekten sollte die – wegen ihrer Umwelt- und Klimagefahren international umstrittene – Förderung von Ölsanden drastisch ausgeweitet werden.

Derzeit gewinnt Kanada daraus etwa 1,9 Millionen Barrel Öl pro Tag, also gut 300 Millionen Liter. Dieses Volumen wollte Kanada in den nächsten zehn Jahren in etwa verdoppeln: bis 2020 auf 3,2 Millionen, bis 2025 auf 4 Millionen Barrel pro Tag.

Diese Pläne stehen jetzt infrage. Das liegt zum einen daran, dass der Ölpreis drastisch gefallen ist. Der technisch aufwendige Abbau im hohen Norden der Provinz Alberta kostet pro Barrel bis zu dreimal so viel, wie der Ölpreis derzeit hergibt. Erst vor wenigen Tagen hat der Erdöl-Multi Shell ein milliardenschweres Ölsandprojekt in Kanada gestoppt. Andere Produzenten haben ihre Pläne verlangsamt oder auf Eis gelegt.

Langfristig noch folgenschwerer aber ist die Tatsache, dass die kanadischen Produzenten ihr Öl wegen fehlender Pipelinekapazitäten immer schwerer zu ihren Absatzmärkten bringen können. Die derzeitigen Ölpipelines sind überlastet. Keystone-XL sollte dringend benötigte Abhilfe schaffen. Dazu wird es nach dem US-Veto vorerst jedoch nicht kommen. Zudem stehen in Kanada drei weitere geplante Mega-Pipelines wegen massiver Bedenken von Umweltschützern und Ureinwohnern auf der Kippe, sie werden womöglich niemals gebaut.

Die neue Regierung will mehr Klimaschutz

Die sogenannte Northern Gate­way Pipeline sollte 525.000 Barrel pro Tag von den Ölsandfeldern an den Pazifik bringen. Allerdings fürchten Ureinwohner Tankerunfälle in den rauen Küstengewässern südlich von Alaska und haben die Gerichte mit Klagen überzogen.

Der neue Premierminister Justin Trudeau, seit 4. November im Amt, will das vom Enbridge-­Konzern geplante Projekt daher nicht weiter unterstützen. Nicht viel besser sieht es für die vom Energiekonzern Kinder Morgan geplante Verdoppelung der bereits existierenden Trans Mountain Pipeline aus, die von Edmonton nach Vancouver führt. Die Röhre soll um die Kapazität von 540.000 Barrel pro Tag erweitert werden. Doch rund um Vancouver ist der Widerstand riesig, besonders, seit im Sommer ein Leck in einem Frachter die Strände der Millionenme­tropole verpestet hat.

Schließlich steht auch die geplante Energy East Pipeline an die Ostküste Kanadas vor großen Hindernissen. Weil der geplante Verladeterminal im Sankt-Lorenz-Strom in der Nähe der Kinderstube gefährdeter Beluga-Wale liegen sollte, wehren sich Umweltzschützer und Anwohner gegen das Projekt.

Auch die Provinzregierungen von Québec und Ontario sind skeptisch. Der liberale Premierminister Trudeau, der die kanadische Klimaschutzpolitik nach zwei Jahrzehnten des Stillstands wieder voranbringen will, hat das Veto der USA gegen Key­stone-XL zwar pflichtschuldigst als „enttäuschend“ bezeichnet, aber er hat der Ölindustrie auch signalisiert, dass sie nicht mehr unbedingt auf politische Unterstützung hoffen darf, solange sie den Ausstoß von Treibhausgasen nicht in den Griff bekommt. Für die Ölbarone in den Wolkenkratzern von Calgary werden die Zeiten rauer. Jörg Michel