Von Troika, Freunden und Steuerhinterziehern

Ortstermin Wie Yanis Varoufakis auf Hans-Werner Sinn traf

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MÜNCHEN taz | Rund 800 Leute waren in die Große Aula der Ludwig-Maximilians-Universität gekommen. Und passender hätte die Bühne – die vor allem die von Yanis Varoufakis war – nicht sein können, um am Mittwochabend einerseits über die Situation in Griechenland und andererseits über die Zukunft Europas zu diskutieren. Großflächige Mosaike mit Motiven aus der griechischen Mythologie bildeten die Kulisse in dem großen Jugendstilsaal.

Hans-Werner Sinn hat ein großes Ego, und Yanis Varoufakis gilt als König der Provokation. Wo die beiden sind, ist die Kontroverse nicht weit. Aber der erwartete rhetorische Schlagabtausch blieb aus. Zu einig waren sich die beiden in ihrer Analyse der griechischen Tragödie. Die laufenden Kreditprogramme würden bei gleichzeitiger Sparpolitik scheitern. „Sogar effi­zien­te Betriebe mit vollen Auftragsbüchern können derzeit keine Umsätze machen, weil ihnen die Banken keine Kredite geben, um Rohstoffe einzukaufen“, sagte Varoufakis.

Nur beim Grexit klafften die Meinungen dann doch auseinander. Während Sinn in einer Rückkehr zur Drachme den einzigen Ausweg für Griechenland sieht, fürchtet Varoufakis Chaos: „Ich wünschte, wir wären nie in den Euro eingetreten, aber das ist nicht dasselbe, wie jetzt den Grexit zu wollen. Das wäre eine Rückkehr in die Steinzeit.“

Er fürchtet: „Dann entsteht genau das Klima wie in Deutschland in den dreißiger Jahren, von dem Ultrarechte und Nationalisten profitiert haben!“ Schon jetzt sitze die Nazipartei Goldene Morgenröte im Parlament. Als Lösung schlug Varoufakis vor, eine Bad Bank zu gründen – zur Abwicklung der vielen Schrottanleihen.

Gut gelaunt tritt Varoufakis auf, lässt aber zugleich das Publikum wissen, „wie frustriert“ er aus dem Business der Politik herausgegangen sei. Wie in der EU Entscheidungen getroffen würden, sei ein einziges Durcheinander, „a big mess“. „Wir hatten Pläne und Reformvorschläge, aber wir konnten sie nie diskutieren. Und während wir noch um eine ernsthafte Diskussion rangen, ließen die Politiker in Brüssel an die Presse durchsickern, wir hätten gar keinen Plan.“

Für Sinn ist Varoufakis ein Überlebender, der sich getraut hatte, den Elfenbeinturm zu verlassen und in die Löwengrube der Politik zu gehen. Und der holt jetzt im Rückblick doch noch zum Schlag aus: „Die Troika ist der beste Freund der Steuerhinterzieher!“ Denn ausgerechnet der Dreierbund aus IWF, EZB und Europäischer Kommission habe nach seinem Rücktritt seine Task Force zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung aufgelöst.

Dabei hätte seine Partei durchaus Reformvorschläge gehabt, zum Beispiel den Plan, über längeren Zeiträume Kontobewegungen mit Steuernummern zu vergleichen, gerade auch um Vermögende zu überprüfen, die keine sichtbare ökonomische Aktivität in Griechenland haben.

Seine Partei hätte durchaus Reformvorschläge gehabt

Für Varoufakis – wie auch für Sinn – gibt es nur eine Lösung für die Eurokrise: eine tiefere europäische Integration – wenn auch keine überstürzte Fiskal­union. „Man kann nicht einen gemeinsamen Geldbeutel haben wollen, bevor man nicht einen Heiratsvertrag unterschrieben hat.“ Es gehe nicht, dass ein Land für die Schulden des anderen geradestehe.

margarete moulin