: Von Troika, Freunden und Steuerhinterziehern
Ortstermin Wie Yanis Varoufakis auf Hans-Werner Sinn traf
Hans-Werner Sinn hat ein großes Ego, und Yanis Varoufakis gilt als König der Provokation. Wo die beiden sind, ist die Kontroverse nicht weit. Aber der erwartete rhetorische Schlagabtausch blieb aus. Zu einig waren sich die beiden in ihrer Analyse der griechischen Tragödie. Die laufenden Kreditprogramme würden bei gleichzeitiger Sparpolitik scheitern. „Sogar effiziente Betriebe mit vollen Auftragsbüchern können derzeit keine Umsätze machen, weil ihnen die Banken keine Kredite geben, um Rohstoffe einzukaufen“, sagte Varoufakis.
Nur beim Grexit klafften die Meinungen dann doch auseinander. Während Sinn in einer Rückkehr zur Drachme den einzigen Ausweg für Griechenland sieht, fürchtet Varoufakis Chaos: „Ich wünschte, wir wären nie in den Euro eingetreten, aber das ist nicht dasselbe, wie jetzt den Grexit zu wollen. Das wäre eine Rückkehr in die Steinzeit.“
Er fürchtet: „Dann entsteht genau das Klima wie in Deutschland in den dreißiger Jahren, von dem Ultrarechte und Nationalisten profitiert haben!“ Schon jetzt sitze die Nazipartei Goldene Morgenröte im Parlament. Als Lösung schlug Varoufakis vor, eine Bad Bank zu gründen – zur Abwicklung der vielen Schrottanleihen.
Gut gelaunt tritt Varoufakis auf, lässt aber zugleich das Publikum wissen, „wie frustriert“ er aus dem Business der Politik herausgegangen sei. Wie in der EU Entscheidungen getroffen würden, sei ein einziges Durcheinander, „a big mess“. „Wir hatten Pläne und Reformvorschläge, aber wir konnten sie nie diskutieren. Und während wir noch um eine ernsthafte Diskussion rangen, ließen die Politiker in Brüssel an die Presse durchsickern, wir hätten gar keinen Plan.“
Für Sinn ist Varoufakis ein Überlebender, der sich getraut hatte, den Elfenbeinturm zu verlassen und in die Löwengrube der Politik zu gehen. Und der holt jetzt im Rückblick doch noch zum Schlag aus: „Die Troika ist der beste Freund der Steuerhinterzieher!“ Denn ausgerechnet der Dreierbund aus IWF, EZB und Europäischer Kommission habe nach seinem Rücktritt seine Task Force zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung aufgelöst.
Dabei hätte seine Partei durchaus Reformvorschläge gehabt, zum Beispiel den Plan, über längeren Zeiträume Kontobewegungen mit Steuernummern zu vergleichen, gerade auch um Vermögende zu überprüfen, die keine sichtbare ökonomische Aktivität in Griechenland haben.
Für Varoufakis – wie auch für Sinn – gibt es nur eine Lösung für die Eurokrise: eine tiefere europäische Integration – wenn auch keine überstürzte Fiskalunion. „Man kann nicht einen gemeinsamen Geldbeutel haben wollen, bevor man nicht einen Heiratsvertrag unterschrieben hat.“ Es gehe nicht, dass ein Land für die Schulden des anderen geradestehe.
margarete moulin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen