der rote faden
: Die Mafia oder Auch Deutschland ist nicht mehr so, wie es war

Fußball

durch die woche mit

Daniel Schulz

Wir brauchen ein neues Deutschland, das alte ist inzwischen nicht mehr schön. Autos und Fußball, die stehen zwar nicht in der Nationalhymne drin, weil die ja ein bisschen eklig ist, wegen früher und so, aber auf Autos und Fußball, also auf Erfindergeist und Spielfreude, da konnten sich die meisten Deutschen irgendwie einigen, dass sie da ein bisschen stolz drauf sein dürfen. Ohne gleich Pegida zu sein. Und die anderen, die Deutschland scheiße finden, weil es ja genug Scheiße gebaut hat in seinem Leben, die kamen um Autos und Fußball auch nicht drumherum, und sei es, um das Scheißland noch inbrünstiger zu hassen.

Am Freitag sagte die französische Umweltministerin Ségolène Royal, zehn Autos der Marke VW hätten den erlaubten „Ausstoß von Stickoxiden um das Fünffache überschritten“. Volkswagen hat also nicht nur in den USA betrogen, sondern auch hier, wieso auch nicht, die Software gab es schließlich schon.

Bei Karl May geklaut

Ein paar Tage vorher hatten etwa 50 Ermittler beim Deutschen Fußball-Bund, seinem Präsidenten, dessen Vorgänger und einem ehemaligen Generalsekretär vorbeigeschaut. 6,7 Millionen Euro soll das Komitee, das die Weltmeisterschaft 2006 organisiert hat, an den Weltfußballverband Fifa überwiesen haben, wegen Kulturprogramm. Auch das eine Lüge.

Was waren das für Zeiten, als man noch mit angenehm unbeteiligtem Grusel nach Italien rüberschauen konnte, die hatten ja immer was mit Mafia, gerade erst diese Woche wieder, 46 Angeklagte, 250 Zeugen, es geht um Müllentsorgung und Straßenbau in Rom, die rechte Hand des Mafiabosses soll mit 40 Millionen Umsatz im Jahr geprahlt haben. Volkswagen hatte im April seine Umsatz mit „52,7 (47,8) Milliarden EUR“ angegeben, 10,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Aber wahrscheinlich ist das ein unzulässiger Vergleich, weil ja nicht alle Geschäfte bei VW kriminell sind.

In der Transparenz ist die ­italienische Mafia der deutschen um einiges voraus. Die Bosse in Rom, die leiden ganz offenbar alle an einem Laberflash. Am Telefon prahlen sie dann mit Geld und dem Gehorsam der römischen Stadträte und schieben noch ein rustikales „Ich bezahle dich, leck mich am Arsch!“ hinterher, und man fragt sich, ob die auch Dialoge aus Karl-May-Filmen klauen.

Die ganzen Piechs, Winterkorns und Niersbachs, die gut bezahlte Führungsebene des deutschen Patriarchats hält ­dagegen einfach die Klappe, und sie kommt damit bisher durch.

Mauerfall

Das sind gar keine guten Nachrichten, auch für die nicht, die Deutschland schon immer scheiße fanden, denn dass dieser Staat das schafft, mit den Flüchtlingen zum Beispiel, das beruht ja in puncto Finanzen, Organisation und Prestige schon auch auf den Annahmen, dieses Exportland verdiene genug Geld und sei ein einigermaßen funktionierendes Gemeinwesen. Die römische Hauptstadtmafia hat auch in Flüchtlingsunterkünften ihre Finger drin, vielleicht ist das die Zukunft.

Gibt es also ein besseres Deutschland als dieses?

Zeitlich limitierter Hehlerverein

Ja, die DDR. Wenn am 9. November Mauerfall ist, dann werden wieder Menschen laut träumen, die damals das Honecker-Regime gestürzt haben und die noch heute gern ihr eigenes kleines Land behalten hätten, sozialistisch zwar, aber menschlicher irgendwie. Der Glaube ist recht weit verbreitet, die Deutschen seien mit dem Untergang der DDR um ein mögliches Utopia betrogen worden. Nur, wieso?

Als hätten es die Ostdeutschen alleine tatsächlich besser hinbekommen als Tschechien oder die Slowakei. Im Vergleich zu den marktliberalen Exzessen in Osteuropa wirkt das deutsche Modell geradezu kommunistisch. Und die Menschen in Bulgarien und der Ukraine müssen sich noch heute mit den Typen herumplagen, die sich in den Wirren der Transformation alles unter den Nagel gerissen haben. Oligarch ist nur ein besseres Wort für Arschloch, und letztendlich ist selbst ein undurchsichtiger, aber zeitlich limitierter Hehlerverein wie die Treuhand 20 Jahren Arschlochherrschaft eindeutig vorzuziehen. Würden jedenfalls viele Menschen in Bulgarien und der Ukraine sagen.

Wenn schon Mafia, dann doch lieber eine, bei der die Staatsanwaltschaft noch Hausbesuche macht. So gesehen, ist es mit der deutschen Einheit gar nicht so mies gelaufen.

Den Rest erledigen andere für uns. Die Flüchtlinge werden das Land umkrempeln, und wenn es gut läuft, bringt ihre Ankunft auch das Gefüge der etablierten Klüngel durcheinander, das System, von dem die alten Männer bei VW und DFB profitiert haben. Wenn es nicht so gut läuft, dann verdienen wenigstens mal ein paar andere.