"Rein und alle Typen platt schlagen"

Gewalt In Magdeburg werden Flüchtlinge überfallen. Hatten die Täter Infos von der Polizei?

"Wir werden zu dem Fall parlamentarisch im Innenausschuss nachfassen"

Sebastian Striegel, Grüne

BERLIN taz | Die rechte Szene in Magdeburg feiert den Angriff auf Facebook. „Gut gemacht die Jungs, es wird Zeit das diese Ratten sich Nachts nicht mehr auf Magdeburgs Straßen trauen“, schreibt ein Nutzer. Wenige Stunden zuvor hatte eine Gruppe von an die 30 Tätern in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt drei Asylbewerber aus Syrien angegriffen.

„Die Täter kamen aus dem rechtsextremen Hooligan-Spektrum“, sagt Sebastian Striegel, Landtagsabgeordneter der Grünen in Sachsen-Anhalt. Einträge auf Facebook legen aber auch nahe: Das Täterumfeld hatte detaillierte Informationen der Polizei. „Wenn die Informationen aus der Polizei kommen, ist das fatal“, sagt Striegel der taz.

In der Nacht zu Sonntag lauerten die Täter gezielt Flüchtlingen auf. Gegen ein Uhr griff die dunkel gekleidete Gruppe in der Nähe des Veranstaltungszentrums Festung Mark ihre ahnungslosen Opfer mit Baseballschlägern an. Die Angegriffenen, zwei 26-jährige und ein 35-jährige Syrer, erlitten Prellungen und Verletzungen im Gesicht. Sie mussten im Krankenhaus ambulant behandelt werden.

Zivilbeamte, die den Angriff beobachten, verhinderten Schlimmeres. Als sie eingriffen, flüchteten die Angreifer. Einer der Täter bedrohte einen Polizisten mit einem Schlagstock, der Beamte wehrte sich mit Pfefferspray. Einen 24-Jährigen nahm die Polizei später fest.

Anlass der Tat könnte Selbstjustiz wegen einer sexuellen Nötigung einer Frau am Universitätsplatz gewesen sein. Bereits am Freitag war auf der Facebook-Seite des stadtbekannten rechten Hooligans H. O. über den Vorfall diskutiert worden. Der Mann kannte Details über die Frau, den Tatverlauf und die Verletzungen. „Es waren 6 Afghanen (kommt im off. Bericht nicht vor)“, schrieb der Freefig­ther und Kickbox-Trainer und erklärte: „Jetzt gibt es keine Rücksicht mehr.“

Öffentlich hatten Polizei und Staatsanwaltschaft die vermeintlichen Informationen über die Tat und die mutmaßlichen Täter zum Zeitpunkt des Facebook-Eintrags noch gar nicht bekanntgegeben.

In den Kommentaren auf der Facebook-Seite antworteten andere Nutzer, dass man in die entsprechende Flüchtlingsunterkunft „mit Männern rein“ müsse „und alle Typen platt schlagen“ solle. „Wäre sofort dabei“ und „bin auch dabei Ahuu!“, heißt es in zwei folgenden Antworten. „Unsere Truppe kriegt einige sehr gute Jungs ran“, schrieb schließlich Hooligan H. O.

„Die Täter haben sich ganz offensichtlich am Freitag bereits für eine Aktion im Internet verabredet“, sagt David Beg­rich, Rechtsextremismus­experte vom Verein „Miteinander e. V.“. Die Debatte offenbare, wie sich dort „eine nach oben offene Gewalteskalationsskala weiter hochschraubt“.

Woher die Insiderinformationen auf der Facebook-Seite stammen, weiß die Magdeburger Polizei nach eigenen Angaben nicht. Von der Behörde selbst? „Ich kann dazu noch nichts sagen, vielleicht von einer Zeugin“, sagte ein Sprecher der taz.

Ins Internet stellte H. O. schon vor Monaten ein Foto, auf dem er während eines Sportevents mit einem Mann posiert, auf dessen Trainingsjacke „Bundespolizei“ steht. H. O. schrieb dazu: „Schon lange stelle ich mein Können der Bundespolizei zur Verfügung [...] Seit Monaten schon ein Team und seit einiger Zeit auch befreundet.“

Der Facebook-Eintrag ist der Magdeburger Polizei seit Kurzem bekannt. Der Abgeordnete Striegel kündigt nun an: „Wir werden zu dem Fall parlamentarisch im Innenausschuss nachfassen.“ Andreas Speit