portrait: Diplomatischer Reformer
Blonder Kurzhaarschnitt, schwarze Rundbrille, aufgeknöpftes Hemd: Nicoley Baublies könnte Mitarbeiter in einer Marketingfirma sein oder auch Flugbegleiter – das legt das Bild seines zurzeit ausgiebig bespielten Twitter-Accounts nahe. Beides war er auch schon, offiziell ist er sogar Kabinenchef bei der Lufthansa und bildet zusätzlich den Nachwuchs aus.
Doch dazu wird Baublies vorläufig wohl nicht kommen. Denn der 42-Jährige ist auch Chef der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO, und die befindet sich im Tarifstreit mit der Lufthansa. Und seit Montag steht ein neuer Streik im Raum.
Die Gewerkschaft kämpft gegen die geplante Verlagerung von 2.000 Stellen in eine Billigflugtochter und für die Beibehaltung der bisherigen Betriebsrente aller bei der Lufthansa angestellten Flugbegleiter.
Waldorfschule, Politik- und Anglistikstudium, dann zu einer Beratungsfirma für Homepages: Baublies’Lebensweg ist nicht der eines klassischen Gewerkschafters. Doch die IT-Firma ging pleite und so wurde er 2004 Flugbegleiter bei der größten deutschen Fluglinie – und das Unternehmen „seine Lufthansa“. Inzwischen sitzt er sogar auf der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat.
Den Vorstandsposten bei UFO hat Baublies erst seit knapp sechs Monaten, aber er sitzt seit 2008 in der Tarifkommission, kennt von dort seine jetzigen Verhandlungspartner und wird von ihnen für seine diplomatische Art geschätzt.
Denn Baublies ist kein Hau-drauf-Gewerkschafter vom Schlage eines Claus Weselsky von der Lokführergewerkschaft. Er sagt lieber Dinge wie: „Wir schauen, was wir tun können, um der Arbeitgeberseite entgegenzukommen.“ Wegbegleiter beschreiben ihn als ruhig und ausgeglichen.
Wer ihm deshalb mangelndes Durchsetzungsvermögen bescheinigt, unterschätzt ihn aber. Er ist nun mal Reformer – und die kämpfen für gewöhnlich mit den Mitteln des Dialogs. Für gewöhnlich. Aber wenn die andere Seite nicht liefert, kann Baublies auch ruppig werden. Das hat er Anfang September bei einem Kurzstreik der Flugbegleiter auf dem Frankfurter Flughafen bewiesen. 26.000 Passagiere strandeten bei dem achtstündigen Streik, zwei Drittel der 360 geplanten Flüge fielen aus. Und auch jetzt greift Baublies wieder durch.
„Manchester-Kapitalismus“ wirft er Lufthansa vor – wenn auch gewohnt besonnen mit seiner tiefen Stimme. Die Firma wolle die Flugbegleiter nicht an den Gewinnen des letzten Quartals beteiligen. Deutliche Worte für den „kompromissbereiten Realo“, wie er sich selbst nennt. Doch wenn er muss, geht Baublies auch diesen Weg für die 19.000 Flugbegleiter bei Lufthansa. Jonas Seufert
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