: Mehr als Krakauer und Salzgurken
heimat Lebensmittel aus Polen erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit – nicht nur bei Einwanderern
Das Kilo Äpfel für 69 Cent, 100 Gramm Geflügelleberwurst für 39 Cent, das 640-Gramm-Glas mit Knoblauchgurken für 1,49 Euro – so steht es auf dem aktuellen Lukullus-Sonderangebotzettel. Ob der Apfel eher süß oder sauer, der Käse eher mild oder herzhaft schmeckt, das erfährt man nicht – dafür wird die Herkunft der Ware betont: Sie kommt aus Polen. Nicht nur die Sonderangebote, sondern sämtliche Produkte, die es bei „Lukullus“ zu kaufen gibt.
Unter diesem Namen bieten Spezialitätenläden in rund 20 deutschen Städten Lebensmittel aus Polen an – nicht im Stadtzentrum, sondern in Wohngebieten, oft in der Nähe einer katholischen Kirche. Zwei Lukullus-Läden gibt es in Bremen, einen davon in Huchting, den anderen in Osterholz.
„Bei uns wird vor allem Wurst gekauft. Außerdem sind Kuchen, Gurken und Suppen aus Polen sehr gefragt“, sagt Inhaber Kamil Binkowski, der 19 Menschen beschäftigt. Nach seinen Angaben sind die meisten Kunden polnischstämmig, gefolgt von deutschen und russischen Käufern, die zusammen 30 Prozent ausmachen. „Die Zahl der deutschen Käufer wächst“, sagt Binkowski.
Die rustikal eingerichteten Läden – viel Holz, ländlich anmutende Dekoration – dienen auch als Treffpunkt für viele Polen, die auf einer Fläche zwischen 150 bis 500 Quadratmeter bis zu 6.000 Produkte finden. Der günstige Preis, der aus der einstigen Heimat gewohnte Geschmack, die besondere Atmosphäre mit im Hintergrund laufender polnischer Musik – so lockt Lukullus die Käufer an.
Sie schätzen auch den großen Wurst- und Fleischtresen mit wöchentlich frisch gelieferter Ware aus polnischen Schlachtereien sowie ausschließlich für Lukullus gebackene Kuchensorten mit Geschmacksrichtungen, die man in deutschen Bäckereien nicht findet. Zu den Klassikern zählen Gurkentöpfe, in denen viele das Gemüse nach traditioneller polnischer Art selber einlegen.
„Wir wollen demnächst weitere Filialen eröffnen. Dann können wir in größeren Mengen einkaufen und für unsere Kunden noch bessere Preise erzielen“, sagt Lukullus-Geschäftsführer Andrzej Pawluczuk, der zwischen Polen und der deutschen Zentrale in Garbsen bei Hannover pendelt. Er spricht von einem Jahresumsatz von mehr als zehn Millionen Euro in den deutschen Lukullus-Läden, die mit Franchise-Partnern betrieben werden. Das Ziel seien 40 Läden.
Krakauer, Schinkenwurst, schlesische Grützwurst – diese Wurstsorten aus Polen zählen zu den gefragtesten Artikeln beim Großhandelsunternehmen Broxon aus Bergisch Gladbach. „Wir produzieren zusammen mit einem polnischen Partner in Oberschlesien“, sagt Geschäftsführer Robert Johann Broda, Chef von 35 Mitarbeitern. „Wurst aus Polen ist in Deutschland sehr beliebt, weil sie weniger Fett enthält als hier üblich und sie intensiver gewürzt ist.“
Brodas Unternehmen verkauft seine Produkte vor allem an polnische Spezialitätenläden in Deutschland sowie an Filialen von Edeka und Rewe, wo sie in speziellen Regalen mit Produkten aus einem Land angeboten werden. Nach den Wurstsorten sind vor allem polnische Süßigkeiten und Salzgurken aus dem Fass beliebt.
Das Großhandelsunternehmen „Das Beste aus Polen“ (DAS) mit Sitz in Bochum beliefert bundesweit mehr als 1.000 Supermärkte und Discounter mit Lebensmitteln aus Polen, davon 220 in Niedersachsen, rund zwei Dutzend in Bremen und eine Handvoll in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Die meiste Ware geht an Edeka-Läden.
Zu den Favoriten der Käufer zählen Süßigkeiten und Spirituosen.
Mehr als 3,2 Millionen polnischsprachige Einwohner leben nach DAS-Angaben in Deutschland, davon 2,2 Millionen deutsche Staatsangehörige mit polnischer Abstammung.
200.000 Menschen polnischer Herkunft leben nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes in Niedersachsen. Hamburg mit einem Anteil von 70.000, Schleswig-Holstein mit 55.000 und Bremen mit 26.000 sind kleinere Zentren der polnischen Einwanderung. JOG
„Die Nachfrage wächst. Es machen immer mehr Polen in Deutschland einen Laden auf und auch das Interesse der Supermärkte an unseren Waren steigt“, sagt Broda. Zudem können Endverbraucher über das Internet auch direkt bestellen.
Dabei sei die Kundschaft eher älter und habe oft polnische Wurzeln. „Sie kennen viele Marken noch von früher und wollen darauf nicht verzichten“, berichtet Broda. Für jüngere Leute spiele das keine so große Rolle mehr. Joachim Göres
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen