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Polens neue Premierministerin: Beata Szydło Foto: reuters

Kirchentreue
Marionette

Niemand weiß, wie lange Beata Szydło Premier Polens sein wird: ein Jahr, vielleicht zwei? Jarosław Ka­czyń­ski, der Vorsitzende der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die ab November mit absoluter Mehrheit in Polen regieren wird, behauptet zwar, dass er „niemals“ Premier werden wolle; aber das hatte er 2005 auch behauptet, als er ausschloss, dass ein ein­ei­iges Zwillingspaar – sein Bruder Lech Kaczyński war gerade Präsident geworden – an der Spitze des polnischen Staates stehen würde. Gut ein Jahr später strafte er sich selbst Lügen.

Nun also Beata Szydło, Ethnografin und ehemalige Bürgermeisterin des 26.000-Seelen-Städtchens Brzeszcze bei Oświęcim (Auschwitz). Anfang des Jahres führte die 52-Jährige die Wahlkampagne des No-­Name-­Politikers Andrzej Duda so erfolgreich, dass dieser bei der Präsidentschaftswahl im Mai den bisherigen Amtsinhaber Bronisław Komorowski mit 3 Prozent Vorsprung besiegte. Als Kassenwartin und stellvertretende PiS-Vorsitzende war sie bislang nicht aufgefallen. Bekannt wurde die meist pragmatisch und resolut argumentierende Szydło durch einen ironisch gemeinten Satz, der nun wie Pech an ihr klebt: „Unser Herr Vorsitzender hat immer recht.“

Kaczyński gilt als Profi und künftiger Strippenzieher hinter den Kulissen, während ­Szydło die undankbare Aufgabe zufällt, eine „gute Premierministerin“ sein zu müssen. Denn – auch das kündigte Kaczyński seinen Ministern an: „Unsere Nominierungen sind gewissermaßen auf Probe, denn jeder, der sich nicht bewährt, der sich als inkompetent erweist, kann abberufen werden.“

Loyal ist Szydło nicht nur gegenüber dem Parteivorsitzenden, auch die Bischöfe und Priester der in Polen nach wie vor mächtigen römisch-katholischen Kirche können sich auf die Gattin eines Lehrers und Mutter zweier inzwischen erwachsener Söhne verlassen: In der Vergangenheit kritisierte sie – ganz im Sinne der Kirche – das Gesetz gegen häusliche Gewalt, stimmte im Parlament gegen das In-vitro-Gesetz der Kopacz-Regierung und forderte den Episkopat auf, sich laut und deutlich zu allen politischen Fragen zu äußern, obwohl die Kirche keinerlei demokratisches Mandat hat. Während der eine Sohn in Krakau Medizin studiert, bereitet sich der andere auf den Priesterberuf vor.

Dankbarkeit dafür, dass sie die absolute Mehrheit errungen hatte, zeigte Kaczyński der Parteifreundin am Wahlabend nicht. In seiner großen Siegesrede dankte Kaczyński vor allem seinem Zwillingsbruder Lech, der 2010 bei einer Flugzeugkatastrophe im russischen Smolensk ums Leben gekommen war.

Gabriele Lesser