Nicht nur die Göttin des Glücks ist gegen TTIP

Freihandel Über 1.600 Unternehmen machen in Österreich an Initiative gegen das Abkommen mit

„Wenn man an Wachstum glaubt,ist TTIP attraktiv“

„Ich will nicht, dass der Warenverkehr so unkontrolliert geht“

Volker Plass, InitiatorUnterzeichnerin

WIEN taz | Die „Göttin des Glücks“ glaubt nicht, dass durch den transatlantischen Freihandel das Paradies ausbrechen wird. So heißt jedenfalls des ersten Modelabel in Österreich, das fair zertifizierte Biobaumwolle anbietet. Dessen Gründerin Lisa Muhr gehört zu den sechs Initiatoren von „KMU gegen TTIP“. Im Sommer ging die globalisierungskritische Gruppe klein- und mittelständischer Unternehmen (KMU) online. Seither haben schon (Stand Dienstagnachmittag) 1.635 Unternehmer den Aufruf unterschrieben. Das sind fast so viele wie bei einem ähnlichen Aufruf im ungleich größeren Deutschland. Viele der österreichischen Unternehmer gegen das Freihandels­abkommen zwischen EU und den USA sind dem grün-alternativen Spektrum zuzuordnen, doch finden sich darunter auch Traditionsbetriebe wie die oberösterreichische Schachinger ­Logistik mit mehr als 550 Angestellten. Und Auto­händler, ­Architekten oder Metallbetriebe.

„Wir als Kleinst-, Klein- und mittelständische Unternehmen stimmen nicht mit dem seit Herbst 2014 von der EU-Kommission verbreiteten Standpunkt überein, wonach vor allem kleine und mittlere Unternehmen zu den Profiteuren des Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) zählen würden“, heißt es auf der Website www.kmu-gegen-ttip.at. Die Initiatoren sind vielmehr der Überzeugung, „dass gerade KMU, die einen Großteil der österreichischen Wertschöpfung und Arbeitsplätze sichern, aufgrund einer radikalen Öffnung des Marktes für international agierende Unternehmen massiv unter den Folgen des Abkommens leiden würden“.

Über neun Zehntel der österreichischen Wirtschaft beteiligen sich nicht am Handel mit den USA, so Volker Plass, einer der Initiatoren. Der Grafikdesigner, der auch als Bundessprecher der Grünen Wirtschaft fungiert, gibt zwar zu, dass Österreichs Handel mit Nordamerika in den vergangenen Jahren mit mehr als 40 Prozent überdurchschnittlich gewachsen ist. Allerdings: Das Import-Export-Geschäft mit den USA und Kanada mache derzeit nicht mehr als sechs Prozent des Warenaustauschs insgesamt aus.

Ein auf Radiologie spezialisierter Medizintechnikunternehmer fürchtet, „dass wir von amerikanischen Großkonzernen überrollt werden“. Er fürchtet, dass sich US-Firmen mit TTIP „in den europäischen Markt einkaufen und uns rausdrängen“. Unter den bisherigen Rahmenbedingungen sieht er seinen Familienbetrieb noch geschützt.

Wolfgang Potocnik, der ein Grafik- und Druckbüro in Wien betreibt, ärgert sich vor allem über die Geheimniskrämerei, mit der das Abkommen verhandelt wird. Eine bildende Künstlerin in Niederösterreich hat unterschrieben, weil ihr nicht gefällt, „dass der Warenverkehr so uneingeschränkt und unkontrolliert vonstatten gehen könnte“. Sie will das Warenangebot nicht durch hereindrängende US-Multis dominiert sehen.

„TTIP ist attraktiv für die, die an das Wachstumsdogma glauben“, sagt Plass. Nur etwa 1.800 österreichische Unternehmen hätten ständige Handelsbeziehungen in die USA, etwa 100 Betriebe würden sich 80 Prozent des Kuchens teilen. In Österreich sind 426.000 Unternehmen registriert. Davon gelten nur etwa 0,5 Prozent als Großunternehmen. Es könne durchaus sein, dass einige innovative KMU auch von TTIP profitieren würden, räumt Plass ein, „doch die wenigen Vorteile wiegen die vielen Nachteile nicht auf“. Viele Betriebe würden den verschärften Wettbewerbsbedingungen nicht standhalten.

Die Kritik der Plattform richtet sich in erster Linie andie Bundeswirtschaftskammer (WKO), die vom gesetzlichen Auftrag her verpflichtet wäre, die Interessen aller Mitglieder zu vertreten. „Sie gebärdet sich aber wie eine Werbeabteilung für TTIP“, so Plass. Er verlangt, dass die WKO eine neutrale Studie in Auftrag gibt, „die die Auswirkungen kritisch beleuchtet“. Ralf Leonhard