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Ruhe sanft in Wellpappe

Särge aus Karton sind billiger und schadstoffärmer als Holzexemplare

BERLIN taz ■ Jetzt neu: Der Sarg zum Selberfalten. Seit diesem Monat wird er erstmals in Deutschland von der Halberstädter Papierfabrik Streiff & Helmold produziert. Das innovative Produkt ist eine kostengünstige Variante zum Modell in Eiche rustikal.

Die Särge aus Halberstadt mit dem Namen Missionis bestehen aus 2 Zentimeter dicker Wellpappe. Sie sind mit Folie ausgekleidet, wiegen 16 Kilogramm und halten bis zu 150 Kilogramm Gewicht aus. Noch gibt es das Modell nur für die Feuerbestattung, ein Modell für Erdbestattungen ist in Planung.

Entwickler Nico Böttcher sagt: „Meine Pappsärge sind in drei Minuten zusammenzufalten.“ Zwar hat der Tote davon nur wenig. Wenn aber zum Beispiel bei einer Katastrophe dutzende Särge zur Unglücksstelle gebracht werden müssen, könne das Modell Pappe platzsparend gestapelt und verladen werden. So rechnet Böttcher damit, im ersten Jahr 3.500 Särge zu verkaufen. Schon jetzt gebe es mehrere hundert Bestellungen. Auch aus den Niederlanden, Italien, Finnland sowie vom österreichischen Militär gebe es Anfragen.

Der Würzburger Bestatter Norbert Papke ist regelrecht begeistert von Pappsärgen. Er importiert sie seit zehn Jahren aus der Schweiz. Dort sind diese längst etabliert. Sie werden Peace-Boxes, also Friedensschachteln, genannt. Papke nutzt sie bei jeder fünften Bestattung. Für ihn gibt es zwei Gründe, die den Erfolg erklären: „Den einen fehlt einfach das Geld für einen Holzsarg.“ Dazu beigetragen habe, dass es seit 2004 kein Sterbegeld mehr gibt. Aber auch wohlhabende Kunden zeigten Interesse an den Friedensschachteln. „Die anderen geben ihr Geld lieber mit warmen Händen aus.“ Das Pappmodell kostet bei Papke etwa 300 Euro. Holzsärge sind dagegen erst ab 400 Euro zu haben.

Allerdings sind nicht alle deutschen Bestatter von der Billigvariante überzeugt. Der Bundesverband Deutscher Bestatter sieht Pappsärge als „Symptom der Wegwerfgesellschaft“ und aus ethischen Gründen nicht geeignet für eine Bestattung.

Geschäftsführer Rolf Lichtner erklärt zudem: Viele Krematorien weigerten sich den Karton zu verbrennen. Wer eine Leiche in einer Pappschachtel verbrennen wolle, müsse nachfeuern. Holz heize viel stärker, so dass die Verbrennungskosten niedriger seien. Was den Schadstoffausstoß angeht, schneiden die Pappsärge allerdings deutlich besser ab als die Holzvariante. Das hat der TÜV Südwest festgestellt.

Doch ist die Beerdigung und Einäscherung in Pappe derzeit nicht in ganz Deutschland möglich. Die Entscheidung liegt bei der Friedhofsverwaltung oder beim Krematorium.

ANNETTE LEYSSNER

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