piwik no script img

Debatte Flüchtlinge und die LinkeKeine Angst

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Hunderttausende Neuankömmlinge stellen gerade Linke vor große Herausforderungen. Es ist Zeit, diese ohne Furcht anzugehen.

Unterstützung für Flüchtlinge fängt bei der Essensausgabe erst an: Freiwillige Helfer auf dem Hauptbahnhof Wien Foto: dpa

V iel wird über die Ängste berichtet, die Menschen umtreibe angesichts des massenhaften Zuzugs Geflüchteter nach Deutschland. Ernst nehmen müsse man diese Ängste. Die Stimmung könne kippen und rechten Parteien Wähler zutreiben. Gerade Linke dürften die drängenden Probleme mangelnder Akzeptanz und Überforderung nicht übersehen.

Diese Aufforderung irritiert etwas. Sie unterstellt, dass Linke in den vergangenen 25 Jahren nicht bemerkt hätten, dass sie mit ihrem Antirassismus, ihrer Flüchtlingsarbeit und ihrem Antifaschismus nicht sonderlich tief in der Mitte der Gesellschaft verankert waren. Die Angst der Mehrheitsbevölkerung und ihr brutaler Verwandter, der offene Hass auf alles Fremde, sind außerordentlich präsent – und zwar immer. Die nicht abreißende Welle von Brandstiftungen an Unterkünften für Asylbewerber, die Pegida-Demonstrationen, die Mandatsträger etablierter Parteien in ihrem Wettlauf um die Stimmen der besorgten Bürger: Nein, übersehen lässt sich da nichts.

Genau im Wissen darum müssen sich (nicht nur) Linke die Frage stellen, wie genau der Zuzug und seine Folgen zu bewältigen sind. Da gibt es jede Menge Denk-, Diskussions- und Handlungsbedarf: Was ist schiefgegangen bei vergangenen Migrations- und Fluchtbewegungen? Wie kann die Teilhabe der neuen Nachbarn am gesellschaftlichen Leben über Sprach- und Kulturbarrieren hinweg nachhaltig gefördert werden? Wie lassen sich die Ängste und irrationalen Abwehrreflexe von Teilen der Bevölkerung abbauen? Was muss unmittelbar getan werden, um Menschen vor Übergriffen zu schützen?

Das alles sind Fragen, deren Beantwortung erheblichen Aufwand erfordert. Es war bestimmt ganz famos, besoffen von der eigenen Barmherzigkeit auf Bahnhöfen noch jedem Ankommenden ein „da capo“ zuzurufen. Jetzt aber ist es höchste Zeit, die Herausforderung anzunehmen, aus dem positiven Impuls der Willkommenskultur Mechanismen demokratischer Teilhabe zu entwickeln. Man kann stattdessen natürlich auch über Kontingente bei der Aufnahme von Geflüchteten nachdenken, wie Barbara Dribbusch das in der vergangenen Woche an dieser Stelle gefordert hat. Über Obergrenzen müsse man streiten dürfen, schließlich seien in jedem Solidarsystem die Kapazitäten begrenzt.

Linker Größenwahn. Wirklich?

Die Bedingungen für Flüchtlinge seien in Deutschland schon jetzt so schlecht, dass ein weiterer Zuzug nicht zu rechtfertigen sei. Zudem sei es „linker Größenwahn“ zu glauben, Deutschland könne jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnehmen. Hier ohne Tabus zu diskutieren, sei quasi verboten, so Dribbusch.

Hat der linke Größenwahn inzwischen selbst die Mitte der Gesellschaft völlig umnebelt?

Nun ist das Denken in der Linken, wenn auch nicht zwingend in größerer Dichte und Tiefe als bei anderen anzutreffen, so doch erst einmal nicht generell verboten. Davon abgesehen fehlt aber schlicht eine schlüssige Begründung, warum jetzt unter Linken unbedingt noch darüber debattiert werden sollte, wie man Menschen am besten daran hindert, Armut, Krieg und Verfolgung zu entkommen und sich eine neue, sicherere und ganz allgemein angenehmere Heimstatt zu suchen.

Denn das wäre ein gar seltsames „tabuloses“ Gespräch, wenn ein paar Linke, vielleicht grad vom freiwilligen Kleiderkammereinsatz in einer Flüchtlingsunterkunft kommend und erschöpft aufs durchgesessene Sofa ihrer WG-Küche sinkend, einfach mal durchrechneten, ob es die Sozialsysteme mehr belasten würde, die Flüchtlinge aufzunehmen oder die Grenzsicherungsmaßnahmen auszubauen. Auch Stacheldraht fällt schließlich nicht vom Himmel, und tatsächlich ist es eine interessante Frage, wie viel wir es uns noch kosten lassen wollen, Hunderttausende auf ihrem Weg nach Europa aufzuhalten und gegebenenfalls verrecken zu lassen.

Und während diese Linken also versuchen, die materielle Kapazitätsgrenze ihrer Solidarität in Zahlen zu fassen, argumentiert Michael Hüther vom arbeitgebernahen Institut für Deutsche Wirtschaft in der Berliner Zeitung, dass der Zuzug, wie er sich derzeit entwickelt, durchaus zu bewältigen ist.

„Man muss die Integrationssysteme Bildung und Arbeitsmarkt öffnen – dann ist es eine Riesenchance“, sagt Hüther. Vorurteile und mangelnde Erfahrung mit Fremden stünden einer Integration jedoch oft im Weg. Da müsse noch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden. In der Zeit sekundiert Kommentatorin Frida Thurm. Die „Angst der Mitte“ müsse man zwar als Fakt akzeptieren, ihr aber begegnen – „panikfrei und nüchtern“.

Das klingt doch recht sachlich, realistisch und dabei sogar optimistisch. Oder hat der von Dribbusch ausgemachte „linke Größenwahn“ nun auch die liberale Mitte der Gesellschaft soweit umnebelt, dass selbst Arbeitgeber nicht mehr ihre Taschenrechner bedienen können?

Watschen aus der Mitte

Es kommt sogar noch schlimmer. Während die Linken darüber debattieren mögen, ob das Asylrecht nicht gänzlich vom Schutzbedarf der Asylsuchenden entkoppelt und durch ein an den (letztlich willkürlich bestimmten) Aufnahmekapazitäten orientierten Quotensystem ersetzt werden sollte, erklärt ein Bundesrichter, ebenfalls in der Zeit, ein bisschen Verfassungstheorie und gibt eine Lektion in Menschlichkeit. Thomas Fischer, Vorsitzender des Zweiten Strafsenats am Bundesgerichtshof, lässt wenig Raum für Interpretationen: „Die [Flüchtlinge] sind Menschen nicht ‚wie wir‘, sondern es sind wir Menschen selbst. Die Unglückseligen sind keine Analogien zu uns. Wir sind es selbst.“

Klar, mit Moral bezahlt man keine Renten, Humanität ist keine buchhalterische Kategorie und Stiefelnazis werden nicht durch ein paar schöne Worte der Kanzlerin zu Blumenkindern. Ohne Moral, Recht und Menschlichkeit aber bleibt allen nur die Angst. Und die führt nur allzu leicht dorthin, wo es so dringlich erscheint, über Obergrenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen nachzudenken. Gewiss, das kann man natürlich trotzdem machen, auch in der Linken – wenn man sich denn unbedingt noch jene Watschen von Thurm, Hüther und Richter abholen möchte, die eigentlich für Figuren wie Seehofer, Petry und de Maizière gedacht waren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • "Thomas Richter, Vorsitzender des Zweiten Strafsenats am Bundesgerichtshof, .."

     

    Der genannte Richter heißt Thomas FISCHER und schrieb in seinem doch recht ausführlichen Kommentar u.a. folgendes:

     

    "Aus diesen und aus vielen anderen Gründen musste jetzt endlich einmal gesagt werden dürfen: Wenn alle armen Menschen dieser Welt (so die Staatskanzlei Bayern) oder alle Kriegsflüchtlinge dieser Welt (so Prof. Winkler) gleichzeitig zu uns (gemeint: Deutschland in den Grenzen von 1990) kämen, könnte es eng werden.

     

    Mein lieber Herr Professor! Das ist ja eine Zeitenwende der Erkenntnis! Darüber haben wir ja – außer 1975, 1983, 1992, 1998 und 2003 – praktisch noch nie nachgedacht! Lassen Sie uns überlegen: 360.000 Quadratkilometer für 82 Millionen angebliche Deutsche macht 4.300 m² pro deutschen Menschen (220 pro km²). Kämen nun, sagen wir mal 60 Millionen dazu (derzeit geschätzte Zahl der Kriegsflüchtlinge auf der Welt), blieben für jeden gerade einmal noch 2.600 m², die Dichte stiege auf 360 pro km² an. Das entspricht ziemlich genau der Bevölkerungsdichte von Israel (370), Indien (370) oder Japan (340) und liegt zwischen den Niederlanden (400) und Belgien (350). In Bangladesch (1070) gilt das als gähnende Leere; auch in Südkorea (520) ist's ein bisschen enger. Trotzdem – und auch dies muss man einmal sagen dürfen: Die schaffen das."

    http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/fluechtlinge-fischer-im-recht/komplettansicht

  • "Trotzdem sollte man nicht übersehen, dass Merkel Opportunistin ist"

     

    Das ist sie jetzt wohl weniger als sie es je war. Im Moment nutzt sie ihre auf dem Wege des Opportunismus gesammelte Macht, um ihre Politik - den "Plan", von dem sie sagt, dass sie ihn hat, den sie aber der interessierten Öffentlichkeit nicht mitteilen möchte - gegen wachsenden Missmut aus den eigenen Reihen und einem zunehmend großen Teil der Bevölkerung durchzusetzen.

     

    "Merkel rechnet, aber mit Wählerstimmen. DIe Kehrtwende nach dem Fukushima-Unglück macht Diskussionen darüber weitgehend überflüssig. Sie bekommt ja schon Druck aus den eigenen Reihen, nicht umsonst, da sie Standards der CDU aufgibt um populär zu bleiben. Ist im Moment eng für sie."

     

    Ich fürchte, ich kann Ihrem Gedankengang nicht folgen (schon gar nicht die "Energiewende" betreffend im jetzigen Zusammenhang). Wenn Merkel derzeit mit Wählerstimmen "rechnet", dann überschlägt sie vermutlich eher, wie hoch die unvermeidlichen Verluste durch ihre Politik werden dürfen. Und die Standards, die sie aufgibt, sind eben nicht nur die der CDU.

     

    "Elitenprojekt find ich irreführend. Wie soll dieses Wort moralisch bewertet werden? Ist jeder Beschluss von oben elitär? Oder nur wenn er Ausnahmsweise mal zur Lösung eines Problems beiträgt und sich der Stammtisch-Linke plötzlich nicht mehr empören kann?"

     

    Ich verstehe den letzten Satz als Unterstellung, dass ich einer immer nörgelnden "Stammtisch-Linken" angehöre, die nun unzufrieden ist, weil sie nichts mehr zu nörgeln hat und deshalb einfach weiter nörgelt.

    Sie unterstellen ferner, dass die Regierung gerade ein Problem löst, was m. E. aber unter mehreren Aspekten fragwürdig ist.

     

    Den Begriff "Elitenprojekt" verwende ich für Projekte, mit denen Eliten eigene Interessen gegen die Interessen von Nichteliten durchsetzen - dabei in der Regel vorgebend, zu einem höheren Zweck (also im gesamtgesellschaftlichen oder allgemeinmenschlichen Interesse) zu handeln.

  • "Thomas Richter, Vorsitzender des Zweiten Strafsenats am Bundesgerichtshof" ist Richter, heißt aber Fischer.

     

    Sein Beitrag in der Zeit ist sehr beeindruckend, obwohl ich dennoch der Meinung bin, dass man ihm nicht in allen Punkten zwingend folgen muss. Frau Thurms Artikel zeichnet sich dagegen wie der von Daniel Kretschmar vor allem durch paternalistische Anmaßung aus.

     

    Ein paar echte Argumente wären nicht schlecht statt des überall in Allgemeinplätzen wabernden Optimismus, der offenbar viele sogenannte Linke zur Zeit besoffen macht.

     

    Abgesehen davon: Sollte den Linken die plötzliche Einigkeit mit Angela Merkel, Herrn Hüther oder auch dem Chefvolkswirt der Deutschen Bank in der Flüchtlingsfrage u. a. nicht doch grundsätzlich zu denken geben?

     

    Merkel gemeinsam mit Hüther, Deutscher Bank etc. pp. zur Barmherzigkeit bekehrt? Daran kann ich nicht glauben.

     

    Wie kommt es, dass Linke sich plötzlich Seit' an Seit' mit Menschen sehen, deren vorgeblich humanitären Motiven sie bis vor kurzem prinzipiell und aus gutem Grund nicht über den Weg trauten? Vielleicht, weil das Ganze ein Elitenprojekt ist, bei dem auch die Linke sich mehr als Elite denn als Verbündete derer versteht, die da gerade unter die Räder kommen.

     

    Hier geht es um massive Umverteilung von unten nach oben innerhalb der deutschen Altbevölkerung - nicht "Verteilungskämpfe", weil ich glaube, dass die Stoßrichtung gegen Menschen geht, die sich nicht wehren können + werden.

     

    Ich habe keine Zweifel daran, dass Arbeitgeber noch ihre Taschenrechner bedienen können. Die Frage ist allerdings, was sie dort eingeben. Und die nächste Frage ist, warum die Linke offenbar auf die Bedienung von Taschenrechnern verzichtet und stattdessen gefühlsbesoffen den wolkig-optimistischen Behauptungen der Wirtschaftseliten und ihres ausführenden Organs Merkel folgt.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Marzipan:

      Sehr guter Kommentar.

      Das Tempo der medialen Begleitmusik für "notwendige Reformen" könnte diesmal sogar noch schneller sein, als bei Agenda 2010 (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/schaeuble-senkt-hartz-iv-fuer-fluechtlinge-13854600.html)

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Danke für Zustimmung und Hinweis.

         

        Ich habe mich mit dem Thema Agenda nie intensiv beschäftigt, aber wenn es diesmal so viel schneller geht als damals, liegt das m. E. daran, dass man seinerzeit noch von erheblichem Widerstand ausging. Den gab es auch, aber u. a. wegen der fortgeschrittenen Entsolidarisierung fiel er zu schwach aus, um Entscheidendes zu ändern. Mir scheint, dass man SPD und Gewerkschaften samt ihrer angestammten Klientel (bzw. deren Nachkommenschaft) wohl als nicht ganz unschuldige Opfer ihrer früheren Erfolge sehen kann.

         

        Inzwischen ist nicht nur der Regierung klar, dass vom unteren Drittel - oder der unteren Hälfte? - der Gesellschaft mit Widerstand nicht mehr zu rechnen ist. Deshalb muss man sich heute kaum mehr Zurückhaltung auferlegen bei weiteren Umverteilungsaktionen, man kann sofort und ungebremst zur Tat schreiten.

         

        Hinzu kommt, dass Linke oder solche, die sich als "links" verstehen, inzwischen selbst großenteils der gebildeten Mittelschicht angehören und wenig zu tun haben mit der Lebenswirklichkeit einer Unterschicht, die sich ebenfalls verändert hat - von der alten, selbstbewussten Arbeiterschaft zum "bewusstseinslosen" unorganisierten Prekariat. Seit Jahren ist die Distanz immer mehr gewachsen und in letzter Zeit seitens der verbürgerlichten Linken teilweise in offene Verachtung umgeschlagen (jedenfalls ist das mein Eindruck).

         

        Die "Träger linken Bewusstseins" sind nicht die ersten, sondern häufiger die letzten Opfer von Umverteilungen nach oben, oft genug sogar Profiteure, während sich die Unterschicht, soweit sie sich überhaupt artikuliert, vielfach nach rechts wendet und dafür noch mehr linke Verachtung kassiert.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Marzipan:

          "Inzwischen ist nicht nur der Regierung klar, dass vom unteren Drittel - oder der unteren Hälfte? - der Gesellschaft mit Widerstand nicht mehr zu rechnen ist."

           

          Vor einiger Zeit habe ich ein Interview mit einem Philosophen (der Name ist mir entfallen) gelesen, der der Meinung war, dass die Linke sich mittlerweile zu wenig um materiellen Verteilungsfragen kümmert. Nicht nur wg. der Gerechtigkeit und warmer Suppe. Geld, Vermögen bedeuten politischen/wirtschaftlichen Einfluss und Macht, und wenn Einkommen und Vermögen immer asymetrischer verteilt werden, gerät die Demokratie immer mehr zu einer elitären Veranstaltung. Sollte jetzt ein gewichtiger Teil des "Prekariats" den Rechtsschwenker vollziehen, kann der berechtigte soziale Protest diskreditierend damit verknüpft werden (z.B. TTIP, Querfront).

    • @Marzipan:

      Gutes Argument. Trotzdem sollte man nicht übersehen, dass Merkel Opportunistin ist, die begabteste Deutschlands, denn sie ist ja schließlich Bundeskanzlerin. Merkel rechnet, aber mit Wählerstimmen. DIe Kehrtwende nach dem Fukushima-Unglück macht Diskussionen darüber weitgehend überflüssig. Sie bekommt ja schon Druck aus den eigenen Reihen, nicht umsonst, da sie Standards der CDU aufgibt um populär zu bleiben. Ist im Moment eng für sie. Elitenprojekt find ich irreführend. Wie soll dieses Wort moralisch bewertet werden? Ist jeder Beschluss von oben elitär? Oder nur wenn er Ausnahmsweise mal zur Lösung eines Problems beiträgt und sich der Stammtisch-Linke plötzlich nicht mehr empören kann?

      • @Nark Ente:

        Meine Antwort an Sie ist leider aus unerfindlichen Gründen in einen Neubeitrag über meinem Ausgangsbeitrag geraten.

         

        Bei der Gelegenheit OT mit Seitenblick zur Redaktion: Gibt es eigentlich einen sachlichen Grund, aus dem die Kommentare auf den Online-Portalen von Zeitungen derart unbrauchbar, weil unübersichtlich gestaltet werden, oder liegt das einfach nur an der allgemein geringen Technikaffinität im Zeitungsmilieu?

         

        Die Krönung dürfte wohl SPON sein (lese ich eh kaum), aber die taz-Oberfläche ist auch eine Katastrophe. Seitdem die ZEIT nun auch noch ihre halbwegs brauchbare Seite Richtung Unbrauchbarkeit verschlimmbessert hat, beginne ich an eine Weltverschwörung zu glauben. Vielleicht befreit mich ja hier jemand von meiner Paranoia.

    • @Marzipan:

      Marzipan, wäre noch interessant zu hören, was Ihrer Meinung dabei herauskommt, wenn Linke den Taschenrechner zücken...

      • @bouleazero:

        Wenn Linke den Taschenrechner zücken, könnten sie damit eine Berechnung von Lasten und Nutzen der Immigration und vor allem deren Verteilung vornehmen - um dann vielleicht zu erkennen, dass die Angst einer Reihe von Menschen so berechtigt ist wie vermutlich das Hurra einiger anderer, die eher nicht zur traditionellen Klientel der Linken gehörten (aber auch der gutbürgerlichen Linken mit Personalbedarf).

         

        Realistischerweise muss man wohl sagen: Das ist dann eben so. Selbst wenn Linke daran etwas ändern wollte, fehlt ihnen die Macht dazu.

         

        Aber wenn Linke einen Taschenrechner zückten, dann könnten sie sich verkneifen, die Verliererer auch noch zu verhöhnen: "Ihr seid nur zu blöd, um das Gute zu begreifen. Eure Angst zeigt Eure Dummheit."

  • Manchmal frage ich mich ernsthaft, was die Kommentatoren hier in der taz eigentlich in der Schule gelernt haben. Verstehendes Lesen wohl nicht unbedingt.

     

    Daniel Kretschmar hat sich offenbar geärgert. Über seine Kollegin Barbara Dribbusch, die sich aus strategisch-taktischen Überlegungen heraus „eine Debatte über die Abschaffung des Asylrechts in der bisherigen Form und über selbst gesetzte Obergrenzen“ wünscht, und die diesen Wunsch wortreich zu untersetzen versucht. Mit Horror-Szenarien, die kaum ein CSU-Mann düsterer hätte ausmalen können. Zur Strafe veranstaltet er so eine Art Presseschau. Frei nach dem Motto: Schau doch mal, wer noch so spricht. Ich verstehe diesen Ärger irgendwie. Obwohl. Die Frage, was, zum Henker, eigentlich Politik sein soll am Hoffen auf schlechtes Wetter und am Charity-Gehabe von Teilen der sogenannten bürgerlichen Linken (ist das denn nicht eigentlich ein Widerspruch in sich?), natürlich erlaubt sein sollte.

     

    So richtig weit, finde ich, sind Barbara Dribbusch und Daniel Kretschmar im Grunde nämlich gar nicht auseinander. Sie wollen, dass jene Leute, die sich bezahlen und hofieren lassen fürs Führen, endlich was leisten für das Geld, das wir bezahlen, statt nur zu jammern über irgendwelche Krisen. Und weil den Führungskräften offensichtlich grade ums Verrecken nicht einfallen will, was genau sie arbeiten könnten, denken Kretschmar und Dribbusch schon mal vor. Könnte ja sein, es liest da draußen irgendwer die taz und sagt sich: „Geile Idee! Das will ich ausprobieren!“ Auf die Art fürchte ich nur, werden wir die Groß-Versager, die wir dem Peter-Prinzip verdanken, nie wieder los!

  • Ja, man kann sich über alles streiten, meinetwegen auch über maximale Einwandererzahlen. Wobei es m.E. für Linke keine Begrenzung der Migration geben dürfte. Zuerst kommt der Mensch, Politik und Wirtschaft haben sich den Bedürfnissen der Menschen anzupassen, nicht umgekehrt.

    Was jedoch völlig unterzugehen scheint, ist die Frage nach den Hauptursachen der Migration. Grossmächte machen Krieg i Syrien und es gibt keine Friedensbewegung, die sich dagegen wendet. Die USA, Russland und Frankreich sind derzeit die mächtigsten Kriegstreiber im Nahen Osten, sei es aktiv oder durch Waffenlieferungen.

    Es ist tragisch, dass sich in Deutschland, und auch in Europa, keine Partei oder Bewegung findet, die diesen Krieg bekämpft. Solange es Krieg gibt, wird es Flüchtlinge egeben.

    Ist uns das alles wird so völlig egal?

    • @bouleazero:

      soll heissen: Ist uns das alles wirklich so völlig egal?

  • Dem Kapitalismus -- sog. "Soziale Marktwirtschaft" der sog. "Sozialpartner_innen" -- in der BRD, geht es nicht um die soziale Existenz der Flucht-, NATO-Kriegs-, IS-S.A.-Vertreibungs- und EU- Wirtschafts- und Armutsopfer!

     

    Dem Kapitalismus geht es um Gewinn, Profitmaximierung und Quandtsche Dividende!

     

    Allenfalls, um willige und billige Hochqualifizierte und Lohndrückerei! =

     

    Nur dafür werden die Vertreibungs- und Fluchtopfer missbraucht und gebraucht!

     

    Aber auch nicht für (vorgebliche) 'christliche' und rechts-sozialdemokratische und Bündnis-90--Oliv-Grüne 'Nächstenliebe', und auch nicht für (vorgeblichen) spätbürgerlichen 'Humanismus'.

     

    Eben, moderner Kapitalismus-Imperialismus und Faschismus 2015.

     

    Modifizierter Kapitalfaschismus heute!

  • Was soll das? Hier geht es um integre Menschen und solche, die sich haben korrumpieren lassen. Warum sollen die integren Leute dafür sorgen, daß die korrumpierten integer werden? Sind wir ein Volkserziehungskindergarten? War es die Schuld der "Linken", daß die Deutschen sich einen Hitler zum Führer gemacht haben? Gegen Dummheit helfen nunmal keine Pillen und gegen die deutsche Dummheit hilft auch nix anderes.

  • Fragen an Herrn Kretschmar:

    1. Wer ist eigentlich die Linke? Sichmar Gabriel? Katrin "Die Agenda 2010 war dufte" Göring-Eckardt? Die "Honecker-Dödel" von der Linkspartei (Bartsch, Gysi, Pau und Co.)? Pro Asyl? Die Antifa? Angela Merkel? Die famose linke Tageszeitung aus Berlin? Das einzige, was die Linke heute noch zu einen scheint, ist das Dogma des "Anti-Rassismus", das dann gelegentlich auch mal einen Ministerpräsidenten der Linkspartei dazu bringt, laut "Inschallah" zu rufen. Mit Religionskritik hat's die Linke jedenfalls heute nicht mehr so...

    2. Haben Sie schon einmal in Betracht gezogen, dass Neoliberale (der feine Herr Hüther oder auch die "Arbeitgeber", von denen Sie sprachen) aus ganz anderen Gründen für Zuwanderung sind als Sie oder andere Linke? Dass diese Leute an Krisenhaftigkeit als Politikmodus, an sozialer Spaltung, an einem wachsenden Arbeitskräfteangebot, an einer größer werdenden migrantischen Unterschicht als Drohpotential für die Mittelschicht etc. interessiert sind?

    3. Wie wollen Sie Integration und menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen sicherstellen, wenn Sie nicht über Obergrenzen der Aufnahme reden wollen?

    4. Werden Sie und andere Linke protestieren, wenn den Geringverdienern und dem Prekariat (darunter übrigens nicht wenige Migranten!) die Rechnung für die Öffnung der Grenzen präsentiert wird (in Form von Leistungskürzungen, Lohnsenkungen, verschärfter Konkurrenz um Wohnungen und Jobs, zunehmender Gewalt etc.)? Oder werden Sie dann feststellen, dass Ihr Bedürfnis nach wohlfeiler, moralischer Überlegenheit vorerst gesättigt ist? Wo bleibt die groß angelegte Kampagne der gesellschaftlichen Linken für eine Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums, die doch angesichts der Flüchtlingsproblematik dringender wäre denn je?

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @sueño de la razón:

      Stimme Ihnen vollständig zu. Erstaunlicherweise muss man nicht mal ein Linker sein, um für eine angemessene Umverteilung zu sein. Sogar die Ordo Liberalen haben Erbschaften als leistungsloses Einkommen eingestuft und sogar Steuersätze bis zu 100% gefordert, da dies in einer LEISTUNGSGESELLSCHAFT dringend erforderlich ist! Unter Roosevelt war die Erbschaftsteuer bei 77 Prozent. Höre ich hierzu etwas von der SPD oder den Grünen? Haben diese Parteien während ihrer Regierungsjahre eine linke Politik gemacht? Agenda 2010, die Vermögenden zu entlasten (Spitzensteuersatz senken, Vermögenssteuer abschaffen, statt verfassungskonform fortzuführen) und die unteren und mittleren Einkommensschichten aber dafür zu belasten, kann wohl kaum als linke solidarische Politik aufgefasst werden. Und die LINKE? Während ihrer Mitregierungsjahre in Berlin ist sie durch die Beteiligung an der Privatisierung der Wohnungsgesellschaft GSW, einem höheren Mietspiegel, und der Behinderung des Volksentscheids Berliner Wassertisch und der Behinderung der Rekommunalisierung der Wasserbetriebe in Erinnerung geblieben. Ja, wo sind eigentlich noch die Linken in diesem Land zu finden? Nur immer mehr Zuwanderung zu fordern ohne gleichzeitig auch eine angemessene Umverteilung zu fordern ist nicht links, dass ist ausgesprochen dämlich!!!

  • Herr Kretzschmar,

     

    wollen Sie denn nicht die Absicht sehen, die Herr Hüther vom Arbeitgeberinstitut der deutschen Wirtschaft verfolgt? Er sieht in Flüchtlingen keine Menschen, sondern billige Arbeitskräfte, mit denen sich faktisch der Mindestlohn aushebeln lässt. Schließlich kann man nicht hinter jede Hilfskraft auf dem Spargelfeld Zollbeamte stellen. Die normative Kraft des Faktischen wird so wirken. Sie, Herr Kretzschmar, werden keine Anpassungsleistungen erbringen müssen, wie das untere Drittel der Gesellschaft, das faktisch entweder noch mehr von Arbeitslosigkeit betroffen wird oder deren Löhne noch mehr unter Druck geraten. Von daher lässt es sich entspannt als taz-Redakteur die Nazikeule gegen alle schwingen, die nicht in größtmögliche Begeisterung ob des großen Zuzugs verfallen. Und wenn sie einfach die Wirtschaftspropaganda übernehmen, weiß ich nicht, was an Ihnen eigentlich noch links sein soll.