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Wie ein Herzschlag tuckert der Beat

POP Vielleicht ist Abby noch nicht da, wo sie einmal hinwill. Die Berliner Band zeigt im Genremix ihres Albums „Hexagon“ großes Potenzial, macht es dem Zuhörer aber nicht einfach. Heute live im Columbia Theater

Die Band Abby ist auf einem spannenden Weg Foto: Universal

von Jens Uthoff

Die Karriere der Band Abby beginnt mit einem Kollateralschaden. Das ist jetzt nicht eine mal eben so in den Raum geworfene Behauptung, sondern so bezeichnet die Gruppe aus Berlin inzwischen selbst ihr vor zwei Jahren erschienenes Debütalbum „Friends and Enemies“. Dieses klingt in der Tat so, wie man es sich vorstellt, wenn vier Indie-Jungs ihr erstes Album einspielen: zwar ambitioniert, aber wenig überraschend, zwischendurch gar brav, nach Oberstufen-Indierock.

„Unser erstes Album sehen wir im Rückblick nur noch wie eine Skizze“, sagen die Musiker nun, zwei Jahre später, da das Nachfolgewerk, „Hexagon“, erschienen ist, und zugleich ist die Rede von ebenjenem Kollateralschaden, den sie für ihre Weiterentwicklung hätten in Kauf nehmen müssen. Das Gute daran ist: Mit dem Ende August veröffentlichten neuen Album scheint diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen – aber die Band ist auf einem sehr spannenden Wege.

Denn es ist auch mit „Hexagon“ keineswegs so, dass man mit dem ersten Akkord, mit dem sphärischen, sich steigernden Einstieg sofort von den Qualitäten des Quartetts überzeugt wäre – im Gegenteil: Das braucht Zeit. Man muss sich etwa an die extrem hohe Kopfstimme von Sänger Filou, auch an die Schwere, den Pathos, der zu Beginn des Albums in den Synthesizer- und Streicherklängen liegt, gewöhnen. Und mit dem zweiten Track, „Time ist golden“, trifft man direkt im Anschluss an das introartige „Hush“ auf ein Stück, das wie ein fürs Indie-Hitradio zurechtgestauchter, singletauglicher Song erscheint.

Erst wenn man „Hexagon“ mehrmals durchgehört hat, wird deutlich, wie viel Potenzial die Band, welchen Anspruch sie an sich selbst hat. In dem in den Berliner Riverside-Studios aufgenommenen Album klingt von Siebziger-(Prog-)Rock bis Elek­tropop, von Postklassik bis Minimal oder New Wave ein sehr breites musikalisches Spektrum an.

Richtig viel Spaß

So kommt es, dass sie mal an Radiohead, mal an Pink Floyd und mal an die Indiebastler von Alt-J erinnern (da vielleicht in einem Song gar zu deutlich) – und das Album, das komplett im Studio entstanden ist, dabei dennoch wie aus einem Guss wirkt. Die Songs sind sehr akribisch komponiert; zudem scheint es beim Hören der zwölf Stücke so, als erarbeite man sich das Album Klangschicht für Klangschicht.Weil dabei insbesondere die oft herzschlaggleich tuckernden Beats und deren Zusammenwirken mit Streichern und Synthesizern entscheidend sind, könnte „Hexagon“ live richtig viel Spaß machen. Am heutigen Freitag werden sie das Album zur Eröffnung des neu konzipierten Columbia Theater (ehemals C-Club) in Berlin vorstellen.

Auf das Gemeinschaftsgefühl von Techno kann sich die Band einigen

Die Nähe zum Club wird bei Abby, die sich an der Mannheimer Popakademie kennengelernt und nach der Gründung 2009 (damals noch als Quintett) zwei EPs veröffentlicht haben, inzwischen sehr deutlich. Schlagzeuger Henne und Keyboarder Lorenzo sind neben ihrer Arbeit mit Abby noch gemeinsam als Techno- und Housemusiker unterwegs; Gitarrist Tilly kollaboriert mit dem Berliner Techno- und Electronicamusiker-Apparat.

Kein Wunder, dass „Hexagon“ da am frischsten und besten klingt, wo diese elektronischen Aspekte stärker zum Tragen kommen – und wo, während sich etwa in „Birth“ verzerrter, psychedelisch anmutender Gesang mit Mickey-Mouse-Stimmsound abwechselt,ein Tanzflächengefühl entsteht. Auf die Abstraktionen und das Gemeinschaftsgefühl von Techno könne man sich als Band einigen, sagten die Musiker zum Release.

Abby sind mal als Konzeptband gestartet. Denn diese „Abby“ ist eigentlich eine weibliche Figur, deren Biografie die Gruppe erzählen will – angelehnt ist sie an eine reale Person. Wenn man Abby nun so zuhört, so darf man davon ausgehen, dass sie ein eher vielschichtiger Charakter ist. Vielleicht ist sie noch nicht da, wo sie mal hinwill, vielleicht wird sie sich noch weiterentwickeln. Dann aber könnte Abby noch für einiges Aufsehen sorgen.

Abby – Hexagon (Universal)

Abby live: Eröffnung Columbia Theater, 9. Oktober, 20 Uhr, 14 Euro

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