Kommentar Fraktionsspitze Linkspartei: Bewegungslos in die Zukunft
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch führen die Linksfraktion im Bundestag. Nur, wohin? Neue Impulse sind kaum zu erwarten.
D ie Ära Gregor Gysis ist vorbei, von nun an führen Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch die Bundestagsfraktion der Linkspartei an. Die sogenannten Reformer können sich ebenso wie der linke Flügel über die wohl austarierte Doppelspitze freuen. Mal schauen, wie lange der – rein personalpolitisch motivierte – Burgfrieden hält.
Allerdings ist das nicht die eigentlich spannende Frage. Das gilt auch für die geradezu unvermeidlichen Spekulationen darüber, was die Wahl für rot-rot-grüne Koalitionsaussichten zu bedeuten hat. Um die ist es – zumindest mit Blick auf die Wahlen 2017 – dank des desolaten Zustands der SPD ohnehin schlecht bestellt.
Interessant ist etwas anderes: Schafft es die Linkspartei, mehr zu werden als eine kleine Oppositionspartei oder ein Mehrheitsbeschaffer der Sozialdemokratie? „Die Hoffnung kommt“, lautete die Parole, mit der Syriza die Parlamentswahl in Griechenland im Januar gewann. Was kommt mit Bartsch und Wagenknecht?
Auch wenn das innerhalb der Linkspartei sicher anders gesehen wird, so ist die Entscheidung für das so ungleich erscheinende Duo vor allem Ausdruck eines intellektuellen Stillstands und linker Tristesse. So zeichnen sich die Papiere, die die beiden in Vorbereitung auf ihre angestrebte neue Aufgabe zusammen verfasst haben, sowohl durch eine parlamentarische Fixierung als auch durch eine ökonomistische Verkürzung gesellschaftlicher Realität aus. Bemerkenswert etwa, wie traditionslinks der ganze Komplex der Grund- und Freiheitsrechte ausgespart wird.
Die Popularität von Alexis Tsipras in Griechenland oder dem Podemos-Mann Pablo Iglesias in Spanien resultiert nicht nur aus den großen Krisen in diesen Ländern, sondern vor allem daraus, dass sie den Traum einer anderen Gesellschaft verkörpern. Als Teil einer gesellschaftlichen Aufbruchbewegung stehen sie für den Bruch mit dem etablierten Politikbetrieb – und zwar in Inhalt und Form.
Wagenknecht und Bartsch verkörpern aber durch und durch eine konventionelle, geradezu kulturkonservative Vorstellung von Politik und Gesellschaft. Das mag ihrer Sozialisation in der spießig-autoritären DDR geschuldet sein. Für undogmatische „Gedönslinke“ und westdeutsche BewegungsaktivistInnen ist dieses Modell jedoch unattraktiv. Mit Wagenknecht und Bartsch an der Fraktionsspitze wird die Linkspartei eine kleine Partei bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!