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„Er fängt an zu kapieren, worum es geht“: Kepler Foto: ap

Er schlägt sich durch

BASEBALL Max Kepler-Rozycki ist drauf und dran, bei den Minnesota Twins Fuß zu fassen

Der allererste Auftritt auf der großen Bühne war kurz und nicht eben spektakulär. Gut zwei Minuten dauerte es, dann durfte Max Kepler-Rozycki wieder zurück auf die Bank schlürfen, den Kopf gesenkt. Genau fünf Würfe hatte er gesehen, der letzte war an ihm vorbeigezischt, sein Schlag ging ins Leere. Ein Strike-­Out, die Höchststrafe für einen Baseballspieler. Es hätte kaum schlechter laufen können für Kepler.

Aber natürlich war es bereits ein großer Erfolg, dass Kepler sich beim 7:1-Sieg seiner Minnesota Twins bei den Detroit Tigers überhaupt versuchen durfte. Der 22-Jährige ist damit erst der zweite Deutsche, der in einem offiziellen Spiel der Major League Baseball (MLB) eingesetzt wird.

Es gab in der 139-jährigen Geschichte der Major Leagues zwar schon Dutzende von Spielern, die in Deutschland geboren waren oder sogar einen deutschen Pass besaßen, aber das waren meist Söhne von auf deutschen Militärbasen der US Army stationierten GIs. Kepler ist nun der zweite in Deutschland aufgewachsene Spieler, der das Base­ballspielen in Deutschland gelernt – und es trotzdem bis aufs allerhöchste Niveau des Sports geschafft hat. Der erste war Donald Lutz, der 2013 und 2014 in insgesamt 62 Spielen von den Cincinnati Reds eingesetzt wurde, dann aber von Verletzungen geplagt und vor knapp vier Monaten entlassen wurde.

Während das weitere Schicksal von Lutz ungewiss ist, könnte sich Kepler, da sind sich die Experten einig, auf Dauer in der MLB etablieren. Der Berliner kam bereits 2009 in die USA. Die Twins hatten den 16-jährigen Jugendnationalspieler, der damals noch im Baseball-Internat in Regensburg lebte, verpflichtet und ihm für seine Vertragsunterschrift erstaunliche 800.000 Dollar bezahlt. Es war der zu dieser Zeit größte „signing bonus“, den jemals ein europäischer Nachwuchsspieler bekommen hatte. Die Summe zeigte vor allem, welches Potenzial die Ta­lentspäher der Twins in Kepler sahen.

Große Erwartungen, die der Sohn einer amerikanischen Balletttänzerin und eines polnischen Ballettlehrers, der als Fußballtorhüter auch in der Jugend von Hertha BSC spielte, nun langsam, aber sicher zu erfüllen scheint. Nach einigen eher wechselhaften Jahren gewann er am Montag letzter Woche mit den Chattanooga Lookouts, einem der verschiedenen Farmteams der Twins, die Meisterschaft der Southern League, einer Art dritten Liga. Seine Statistiken waren so gut, dass er gar zum wertvollsten Akteur der ganzen Southern League gewählt und sofort nach dem Finale nach Minnesota beordert wurde, um dort noch ein paar Erfahrungen zu sammeln in „The Big Show“, wie die Amerikaner sagen. Gerechnet hatte Kepler mit der kurzfristigen Beförderung nicht. „Ich war sprachlos“, berichtete er nach der Ankunft in Minneapolis, „ich hätte beinahe geheult.“

Es war der vorläufige Höhepunkt einer Karriere, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Paul Molitor, aktueller Manager der Twins, kennt Kepler gut, war er doch, bevor er den Major-League-Klub übernahm, in dessen Nachwuchsarbeit tätig. Damals war Kepler bereits ein Bewegungstalent, ein herausragender Athlet, aber, wenn es um Baseball ging, so Molitor, „noch unfertig“. Ihm fehlte der tägliche Umgang mit Baseball, ein grundsätzliches Verständnis für das in Deutschland immer noch exotische Spiel. Mittlerweile aber, glaubt sein Cheftrainer, „fängt er an zu kapieren, worum es geht“.

Ob Kepler allerdings biszum kommenden Wochenende, wenn die reguläre Saison zu Ende geht, noch groß zum Einsatz kommen wird, ist fraglich. Denn die Twins haben noch eine Chance, in den wenigen verbleibenden Spielen die Playoffs zu erreichen. Und Keplers erster Big-Show-Auftritt war nicht eben ein überzeugendes Argument für Molitor, ausgerechnet in den letzten entscheidenden Spielen auf ein immer noch entwicklungsfähiges Talent aus dem Baseball-Entwicklungsland Deutschland zu setzen.

Thomas Winkler