piwik no script img

Kötel oder nicht Kötel – das ist hier die Frage

NATURSCHUTZ In Großbritannien hilft ein Spürhund Biologen bei der Zwergmaus-Volkszählung

BERLIN taz | Rettungshunde, Blindenhunde, Wachhunde – dass Hunde den Menschen helfen können, ist bekannt. Eine ganz andere Aufgabe hat Tui, eine schwarze Flat-Coated-Retriever-Hündin, die ab November in Großbritannien eingesetzt wird: Tui ist die erste Hündin, die auf den Geruch von Mäuseköteln abgerichtet wurde. Genauer: auf den Kot von Zwergmäusen.

Weil diese Tiere gerade einmal fünf bis sieben Zentimeter groß und ihre Hinterlassenschaften kaum sichtbar sind, ist der Bestand der Zwergmaus äußerst schwer zu ermitteln. Sie lebt auf Feldern und Riedflächen – daher befürchtet die englische Umweltorganisation People’s Trust for Endangered Species (PTES), dass die Zwergmauspopulation wegen der Intensivierung der Landwirtschaft und der daraus folgenden Veränderung der Landschaft in den vergangenen 40 Jahren stark gesunken ist.

Bisherige Versuche, die Größe der Feldmauspopulationen festzustellen, erwiesen sich als kompliziert und wenig effektiv: Forscher zählten in aufwändigen Verfahren die kleinen Strohnester, die Feldmäuse in den Gräsern bauen – mit mäßigem Erfolg. Selbst für Experten ist es schwer, die Nester zu finden und zu erkennen.

Jetzt soll Tui, deren Eltern bereits als Waffenspürhunde eingesetzt wurden, mit ihrer feinen Nase Abhilfe leisten. Ihre Besitzerin, die Forscherin Emily Howard-Williams, hat Tui auf den Geruch des Kots der Zwergmaus abgerichtet: „Das Training ging ungefähr ein Jahr lang, jetzt ist Tui in der letzten Phase. Wenn alles gut geht, können wir Mitte Oktober mit dem Projekt anfangen“, erzählte Howard-Williams der taz.

Tui ist nicht die erste Hündin, die im Artenschutz hilft. Inspiriert wurde das englische Projekt von einer ähnlichen Aktion in Neuseeland. Dort wurden zwei Hunde eingesetzt, um Zwergkiwis aufzuspüren – die seltenste und kleinste Art des Neuseeländischen Nationalvogels. Auch in den USA wurden Spürhunde bereits erfolgreich eingesetzt: Dort finden die Spürnasen beispielsweise Kot von Grizzlybären und Schwertwalen.

In England geht es etwas weniger gefährlich zu. Damit die Mäuse in ihrer natürlichen Umgebung nicht gestört werden, betritt Tui das Untersuchungsgebiet nicht. Stattdessen verteilt Howard-Williams Futter, das Zwergmäuse und andere Tiere anziehen soll. Später sammelt die Forscherin die Futterstellen wieder ein und setzt sie Tuis Spürnase vor. Befinden sich an der Futterstelle Kotspuren der Zwergmaus, schlägt Tui an – eine viel effektivere und schnellere Methode, als alle Futterproben im Labor zu analysieren, sagt Howard-Williams.

Der englische Versuch könnte ein Vorbild für Deutschland sein

Das Projekt, das von PTES finanziert wird, ist aber zunächst nur ein Testlauf. Wenn Tui ihren Job gut macht, sollen Spürhunde vermehrt im Artenschutz eingesetzt werden, so die Umweltorganisation.

Ob so etwas in Deutschland auch eines Tages angewandt wird? „Das kann ich mir in der Tat vorstellen – vor allem, wenn Hunde auch bei anderen Arten oder beim Pflanzenschutz einsetzbar wären“, sagt Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Allerdings könne der Einsatz von Hunden unter Umständen mit dem Artenschutzrecht kollidieren: „Tiere dürfen nicht gestört werden, vor allem nicht in ihren Ruheplätzen – das könnte beim Einsatz mit Hunden bei störungsempfindlichen Arten zu Problemen führen“, so Wessel. Hannah Kappenberger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen