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THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Vor drei Jahren ging dem Zoll an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz ein alter Herr ins Netz, der in bar knapp 10.000 Euro dabei hatte. Gerade so viel, dass er das Geld noch unangemeldet über die Grenze bringen konnte. Erst ab 10.000 Euro hätte er den Betrag anmelden müssen. Aber aus dem Fokus der Aufmerksamkeit kam der alte Herr dann bis zu seinem Tod im vergangenen Jahr nicht mehr heraus. Cornelius Gurlitt war sein Name, und in seiner Münchner Wohnung hatte er seit Jahrzehnten unbemerkt mit über tausend Gemälden, Zeichnungen und Grafiken von weltbekannten Künstlern wie Renoir, Liebermann oder Cézanne zusammengelebt, deren Wert auf über eine Milliarde Euro geschätzt wurde. Gurlitt hatte die Sammlung 1956 von seinem Vater geerbt, dem Kunsthändler Hildebrandt Gurlitt, der sie wohl zum größten Teil in den Jahren der Nazidiktatur und zum Teil auf sinisteren Wegen zusammengetragen hatte. Einige Werke wurden als Raubkunst identifiziert. Werke, die der Sohn mehr liebte, als er je Menschen zu lieben in der Lage war, wie er im Verlauf der Untersuchungen einmal zu Protokoll gegeben hat. Und ohne die der nach ihrer Beschlagnahmung nicht mehr lange lebte. Ein Fall wie ein Thriller, aus dem der britische Dramatiker Ronald Harwood nun ein Theaterstück gemacht hat: „Entartete Kunst: Der Fall Cornelius Gurlitt“. Harwood hatte u. a. auch das Drehbuch für Roman Polanskis Film „Der Pianist“ geschrieben, für das er 2003 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Am 4. Oktober wird sein Gurlitt-Drama im Renaissance Theater von Torsten Fischer uraufgeführt. Mit Udo Samel in der Titelrolle (Renaissance Theater: Premiere am 4. Oktober um 18 Uhr).

Vom Leben in Selbstisolation handelt auch das Rechercheprojekt „Das BiestA“, das sich mit dem wenig beachteten Thema des Analphabetismus von Erwachsenen in unserer angeblich so hochzivilisierten Gesellschaft auseinandersetzt. Dabei leben unter uns etwa 7 Millionen Menschen, die kaum lesen und schreiben können. Wie man damit lebt, zwischen Scham, Angst und Selbstverleugnung, damit setzt sich Anne Schneiders Stück, das von Ruth Rendells Roman „Urteil in Stein“ inspiriert wurde, ab 1. Oktober im Theater unterm Dach auseinander. (Theater unterm Dach: „Das BiestA“, 1.–3. 10., jeweils 20 Uhr).

Am 6. Oktober diskutiert der Popstar und Provokateur unter den Finanzpolitikern, Griechenlands Exfinanzminister Yanis Varoufakis in der Volksbühne u. a. mit Franco Berardi und Guillaume Paoli über Alternativen der europäischen Finanzpolitik. (Volksbühne: „Im Zentrum des Übels/Plan B für Europa?“ 6. 10., 21 Uhr).

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