: Zwischen Dschihad und Überwachung
NÄHE UND DISTANZ An der türkisch-syrischen Grenze wurde ein junger mutmaßlicher Dschihadist verhaftet. Er hatte auch im Bremer „Islamischen Kulturzentrum“ gebetet. Das weist einmal mehr alle Vorwürfe von sich
von Klaus Wolschner
„Finden Sie den Zusammenhang nicht auffällig?“, fragt Omar Habibzada, der Vorsitzende der islamischen Moschee IKZ in Bremen: Da werde es demnächst einen Untersuchungsausschuss geben, weil seine Moschee rechtswidrig, wie das Landgericht festgestellt hat, von schwer bewaffneten Polizisten durchsucht und „mit Hunden geschändet und entweiht“ worden ist, und ausgerechnet jetzt kommt die Schlagzeile: „Islamist aus dem Umfeld des IKZ wollte zum Islamischen Staat nach Syrien.“
„Ich habe von Journalisten erfahren, dass er ausgereist ist“, sagt der Vorsitzende der Gemeinde, und von seiner Verhaftung erfuhr ich aus den Medien. Ja, er kennt N. W., der sich im IKZ als „Hamza“ vorgestellt hat, den Namen hatte der junge Russland-Deutsche nach seiner Konversion zum Islam angenommen. Mitglied der Gemeinde war er nicht – nur zum beten war er in die Moschee gekommen. „Wir waren alle misstrauisch ihm gegenüber“, sagt Habibzada, Hamza sei nämlich kurz nach einem gewalttätigen Überfall auf ein Mitglied der Gemeinde gekommen, das Opfer hatte die Täter als kurdische Jesiden identifiziert.
Was wollte dieser Neue? Das „Islamische Kulturzentrum“ (IKZ) wird seit Jahren intensiv von verschiedenen Sicherheitsdiensten überwacht, per Videokamera und mit diversen V-Leuten. Wieder so einer? Die Gemeinde, aus der Hamza kam, hatte vor ihm gewarnt. Und dann war Hamza plötzlich weg. „Bei mir hat er sich nicht verabschiedet“, sagt Habibzada. Er hatte mit niemandem aus der Gemeinde besonderen Kontakt. Hätte er ihm verbieten sollen, in der Moschee seine Gebete zu verrichten? Was wollen die, die jetzt die Moschee in Verbindung mit ihm bringen? Und dass er wirklich in den IS-Krieg ziehen wollte, ist ein Vorwurf – der Ermittlungsrichter hat die Untersuchungshaft aufgehoben, weil eindeutige Beweise fehlen.
N. W. ist offenbar einer der Gestrandeten, die im Islam Halt suchen. 2011 zählte er sich als Linksradikaler, „schon bereits einen Platzverweis bekommen“, postete er stolz als Kommentar zu der Parole „Bullenpropaganda unmöglich machen“. 2012 wurde er in den Jugendbeirat des Stadtteils Osterholz gewählt. 2014 trat er die Reise nach Mekka an – inzwischen war er konvertiert und lief im Stadtteil mit weißer islamischer Kleidung herum. Die örtliche Moschee wollte ihn jedenfalls nicht und erteilte ihm schließlich Hausverbot.
Zum Bild des Gestrandeten passt die Kontakt-Anzeige, mit der Hamza unter „muslima.com“ Kontakt zu einer heiratswilligen Frau suchte: Als „body style – average“ stellte er sich vor, 1,93 Meter groß, er rauche nicht, trinke nicht, lese täglich im Koran, Religion: „sunni“ Und „occupation: other“. Er wolle auswandern, teilte er mit: „The Hijjrah is my greatest wish, because you definitely cannot live in this country.“ Das arabische Wort „Hijjrah“ spielt an auf Mohammed an, der von Mekka, wo er bei seinem Stamm mit seiner „Offenbarung“ nicht ernst genommen wurde, nach Medina gehen musste. Im Internet nachzulesen ist noch, wie „Hamza“ im Frühjahr per Kommentar zu einem Youtube-Werbevideo Kontakt zu der Gruppe „Siegel des Propheten“ suchte.
Was kann die Moschee dafür, wenn einer wie „Hamza“ in der Gemeinde nicht landet und weiterzieht Richtung Syrien, um vielleicht dort eine neue Heimat zu finden? Anders gefragt: Bietet die spirituelle Bindung, die eine Moschee wie das IKZ ihren Besuchern anbietet, keinen ausreichenden inneren Halt gegen die plumpe Sex- und Kalaschnikow-Propaganda des Islamischen Staates? Warum distanziert sich die Moschee nicht eindeutig von Strömungen im Islam wie der dieser syrisch-irakischen Terror-Gruppe, um das nach innen für alle Gläubigen und nach außen deutlich zu machen und so auch dem Bremer Verfassungsschutz die Möglichkeit zu nehmen, jeden streng gläubigen Muslim für einen potenziellen Terror-Kandidaten zu halten?
Die Moschee Islamisches Kulturzentrum (IKZ) in Bremen vertritt einen streng konservativen Islam. Einzig die Fantasie des Verfassungsschutzes mache daraus jedoch ein Zentrum „gewalttätiger Salafisten“, sagt der Vorsitzende Omar Habibzada.
Überwacht wird der Eingang zur Moschee seit 15 Jahren von einer Kamera des Verfassungsschutzes. Mehrfach wurden die Räume durchsucht, Unterlagen und Computer beschlagnahmt – ohne dass sich ein Vorwurf strafbarer Handlungen bestätigte.
Schwer bewaffnete Polizisten stürmten Ende Februar 2015 in den Gebetsraum. In dem Durchsuchungsbefehl stand, es seien dort Maschinenpistolen zu finden. 60 Stück sollen an Gemeindemitglieder verteilt worden sein. Gefunden wurde nichts.
Untersagt hat das Verwaltungsgericht dem Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), zu behaupten, das IKZ werde aus Saudi-Arabien finanziert.
Das Bremer Landgericht hat die IKZ-Razzia im Juli für rechtswidrig erklärt.
Die „Hinweisgeberin“ des Verfassungsschutzes, Beate Krafft-Schöning, bestritt in einer Stellungnahme für den demnächst beginnenden parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu der Razzia, gesagt zu haben, dass das IKZ in Waffenhandel involviert sei.
Die Antwort, die Omar Habibzada auf diese Frage gibt, ist kompliziert und führt in die muslimische Denkweise. Der Islam ist eine „Zivilisation“, sagt Habibzada, mehr als 1.400 Jahre alt. Da gab es lange Jahrhunderte, die das europäische Schulbuch-Wissen nur als „dunkles Mittelalter“ kennt, in denen aber in islamischen Staaten die Wissenschaften eine Blüte erlebten. Und in denen Juden und Christen ihren Glauben praktizieren durften, während in den christlichen Staaten die Juden verfolgt und unterdrückt wurden. Nur in der kurzen Zeit der modernen Geschichte erscheine der Islam politisch und wirtschaftlich schwach, spiele in den Wissenschaften keine Rolle.
Was in der arabischen Welt derzeit vor sich gehe, könne dabei nur verstehen, wer die Grausamkeiten auf sich wirken lasse, die die Juden in Palästina, die Aleviten des Assad-Regimes, die Amerikaner und Schiiten im Irak oder die jesidischen Kurden der Region an gläubigen Muslimen verübt haben. Es stehe einem Muslim, der das nur aus der Entfernung kenne, nicht an, zu verurteilen, wie betroffene Muslime in den arabischen Ländern darauf reagieren. Ja, es gebe Muslime, die das lauthals verurteilen und sich mit solchen Verurteilungen außerhalb der muslimischen Gemeinschaft profilieren wollten, das entspricht dem Gemeindevorsteher, aber nicht der islamischen Religion.
„Man distanziert sich von jemandem oder etwas, wenn man denen zuvor nahestand“, sagt Habibzada. Er habe schon in Deutschland als Muslim gelebt, bevor es al-Qaida oder den IS gab, für deren Entstehung er die „Grausamkeiten“, die Muslime erleiden mussten, und die Besatzungspolitik verantwortlich macht. Er will an seinen Taten gemessen werden. Keines seiner Gemeindemitglieder ist bisher dadurch aufgefallen, dass es meint, in Deutschland „Rache“ üben zu müssen an Kurden, Juden oder Freunden der amerikanischen oder syrisch-irakischen Folterer. Der Bremer Verfassungsschutz, der seit Jahren die Gemeinde auf Schritt und Tritt überwacht, versuche immer wieder vergeblich, dafür Beispiele zu finden. Mit der Festnahme von Hamza an der türkisch-syrischen Grenze habe das IKZ aber nichts zu tun.
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