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„Schamloser Griff in die Staatskasse“

Tipps des Steuerzahlerbundes Wirtschafts- und Steuerkraft erhöhen und einfach weniger Geld ausgeben für Fraktionen, Neueinstellungen, pensionierte Beamte oder das Theater

Ein Zittern ging vergangene Woche durch Bremens Amtsstuben: Der gemeinnützige Bund der Steuerzahler in Niedersachsen und Bremen hatte eine Pressekonferenz angekündigt – und neue Sparvorschläge.

Der Vorsitzende des ausschließlich durch Beiträge seiner 32.000 Mitglieder finanzierten Vereins, Volkswirt Bernhard Zentgraf, zeigt sich nach seinem kürzlichen Theater Bremen-Ba­shing in fortgesetzt bester Angriffslaune und legt los: In der Hansestadt gebe es 46.000 Angestellte im öffentlichen Dienst, da wäre genügend Personal „zu rekrutieren”zur Versorgung, Integration und Betreuung tausender Flüchtlinge. Deswegen benötige das Bundesland nicht die 300 dafür vorgesehenen Neueinstellungen. „Und dabei ist schon gar nicht einzusehen, dass diese Stellen unbefristet sein sollen, als würde die Problematik dauerhaft bestehen.”

Seine Organisation sei außerdem strikt gegen eine Politik des Schuldenmachens. Und deswegen gegen die Politik Bremens. „Wir rechnen trotz des aktuell niedrigen Zinsniveaus, das dem Staat ermöglicht, fast umsonst Geld zu leihen, mit einem Gesamtschuldenstand Bremens von knapp 21 Milliarden Euro zum Ende diesen Jahres.”Es sei inakzeptabel, dass damit auf jeden Bremer eine anteilige Schuldenlast von derzeit 31.621 Euro entfalle. „Damit ist das Land Bremen bundesweit spitze.”

Die Schulden von heute seien die Steuern von morgen, behauptet Zentgraf weiter und prangert als aktuelles Beispiel die von Rot-Grün geplante Anhebung des Grundsteuersatzes um 20 Prozent an. „Der Staat geriert sich als Preistreiber, indem er die Wohnkosten erhöht. Es trifft ja nicht nur die Eigentümer – die Grundsteuerlast wird auf die Mieter umgelegt.”

Die Steuerquellen sprudelten allerdings gerade recht üppig, der Bremer Wirtschaft gehe es gut, ergänzt das neue Vorstandsmitglied, Bankdirektor Carl Kau (CDU). Trotzdem stünden den jährlichen Ausgaben von 4,8 nur Einnahmen von 4,2 Milliarden Euro gegenüber. Kau interpretiert das so: „Bremen hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem.”Es sei ein „grober Webfehler des Länderfinanzausgleichs”, dass sich die Höhe der verteilten Mittel ausschließlich an der relativen Finanzkraft und der Einwohnerzahl orientiere – und nicht an der Ausgabendisziplin.

Was Bremen nach Ansicht des Steuerzahlerbundes dringend braucht? „Einen Anreiz, die eigenen Steuereinnahmen weiter zu steigern.”Zentgrafs Idee: Bei den Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich müsse Bremen nicht darauf drängen, mehr Geld zu bekommen – sondern sich mit weniger als den derzeit jährlich fließenden 300 Millionen Konsolidierungseuros zufriedengeben.

Ein weiteres großes Problem prognostiziert Zentgraf aus den Daten des demografischen Wandels. Ohne dass Geld dafür zurückgelegt worden sei, würden die Ausgaben für Beamtenpensionen bis 2050 mit 11,7 Milliarden zusätzlich zur bisherigen Bremer Verschuldung zu Buche schlagen. Deswegen seien peu à peu die Zahl der Beamten zu reduzieren und deren Pensionszahlungen zu begrenzen – wie das bereits die gesetzliche Rentenversicherung praktiziere.

Mehr Geld fürs Parlament

Besonders empört ist der Steuerzahlerbund über den neuerlich „schamlosen Griff der Fraktionen in die Staatskasse“. Nachdem Bremer den Parteien mit historisch magerer Bürgerschaftswahl-Beteiligung von gerade mal 50 Prozent die gelbe Karte gezeigt hatten, erhöhten die Fraktionen ihre Zuschüsse von 4,88 auf 5,3 Millionen Euro und erklärten das damit, einerseits werde alles teurer – zudem sei die FDP als Empfänger hinzugekommen. „Das ist ein falsches politisches Signal”, meint Zentgraf. „Es fragt sich, ob hier nicht offensichtlich rückläufige Wahlkampfkostenerstattung anderweitig ausgeglichen werden soll.”So nehme Bremen erneut eine Spitzenposition in Deutschland ein: Acht Euro zahle jeder Bremer jährlich den Fraktionen, im Bundesländerdurchschnitt seien es 1,30 Euro.

Soweit die Angebote zum Zittern. Jens Fischer

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