1998: Beamte des Bundesgrenzschutzes bewachen einen Schlagbaum an der deutsch-tschechischen Grenze vor dem Beitritt Tschechiens zum Schengenraum Foto: Sepp Spiegl/imago

Deutschland macht dicht

Flüchtlinge Zugverkehr nach Österreich für unbestimmte Zeit unterbrochen. Zudem wird an den Grenzen wieder kontrolliert. Innenminister de Maizière sagt: Flüchtlinge dürfen sich nicht einfach ein EU-Land aussuchen

BERLIN taz | Die Bundesregierung hat für die nach Deutschland kommenden Flüchtlingen am Sonntag wieder die Türen geschlossen. Gegen 17 Uhr wurde der komplette Zugverkehr mit Österreich in beide Richtungen eingestellt. Wenig später erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), dass es vorübergehend auch wieder Grenzkontrollen gebe. Diese betreffe „vorerst nur die Übergänge nach Österreich“. Wie lange dieser Zustand anhalten soll, sagte der Minister nicht. Ziel sei es, den „Zustrom“ der Flüchtlinge zu begrenzen und zu einem geordneten Verfahren zurückzukommen. Der Schritt sei in der Koalition „einvernehmlich beraten und beschlossen“ worden, Österreich sei „konsultiert“ worden.

Laut Spiegel Online soll die Einreise nach Deutschland nur noch mit gültigen Reisedokumenten möglich sein. Die Bild meldete, 21 Hundertschaften der Bereitschaftspolizei seien unterwegs nach Bayern, um bei der Grenzsicherung zu helfen.

Deutschland werde die geltenden Regeln zum Schutz der Flüchtlinge einhalten, betonte de Maizière. Allerdings sei die Bundesrepublik nach geltendem Recht für die meisten Herkommenden gar nicht zuständig. Er forderte die anderen EU-Staaten auf, die Flüchtlinge wieder zu registrieren und deren Asylverfahren durchzuführen. „Auch die Flüchtlinge müssen akzeptieren“, so de Maizière, dass sie sich nicht einfach ein Land der EU aussuchen dürften.

Der Salto rückwärts der Großen Koalition hatte sich im Laufe des Wochenendes angekündigt. Zwar hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch am Freitag in einem Zeitungsinterview verkündet, dass es keine Obergrenze für politisch Verfolgte gebe. Doch nachdem am Wochenende allein in München bis zu 20.000 neue Flüchtlinge über Ungarn und Österreich kamen, gab es einen förmlichen Zustrom besorgter Politiker.

Sowohl die Kanzlerin selbst als auch SPD-Chef Sigmar Gabriel warnten nun, dass Deutschland auf Dauer überfordert sein könnte. Gabriel forderte, das Tempo des Zuzugs müsse gedrosselt werden. „Sonst wird unser Land in eine Situation hineinkommen, wo die Hilfsbereiten sagen ‚Wir schaffen das nicht mehr.‘“ CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn kritisierte eine „beinahe euphorische Darstellung in den Medien“, die die Sorgen vieler Bürger unterschlage.

Merkel ermahnte die anderen EU-Länder, ihre Aufgaben zu erfüllen. Das beginne mit dem Schutz der Außengrenzen. Am Montag wollen erneut die EU-Innenminister in Brüssel über eine Umverteilung von rund 160.000 Flüchtlingen verhandeln.

Die Regierungschefs von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, Malu Dreyer und Torsten Albig (beide SPD), forderten eine Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten. Gereon Asmuth

taz.fluchthilfe