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Berliner SzenenGrünes Feuerzeug

Ein Toter

Auf dem Gehweg stand eine Trage mit einer Art Decke

Am frühen Morgen ging ich zu dem Zeitungsladen gegenüber vom Kino Intimes in der Niederbarnimstraße in Friedrichshain. Es war einer der ersten Tage nach der großen Hitze, die zwar schon nach Herbst rochen, aber trotzdem noch schön waren. Ich wollte nur schnell ein Feuerzeug kaufen. Normalerweise kaufe ich in dem Geschäft auch Zigaretten, aber in meiner Schachtel waren noch einige.

Als ich um die Ecke bog, blieb ich erschrocken stehen. Vor dem Geschäft parkten Kranken,- Feuerwehr- und Polizeiwagen, uniformierte Männer liefen eilig umher. Auf dem Gehweg stand eine Trage mit einer Art Decke oder Hülle. Ob jemand darunter oder darin lag, konnte ich nicht erkennen. Auf einem Balkon in der ersten Etage standen ein Mann und eine Frau, die sich aneinander festhielten und trösteten. Einige wenige Schaulustige bevölkerten den Gehweg.

Ich ging in den Laden hinein, wählte ein grünes Feuerzeug und fragte den Besitzer, einen Türken, was um alles in der Welt denn passiert sei. „Mann ist gefalle aus Fenster“, sagte er und zuckte mit den Schultern. „Was?“, fragte ich erschrocken, obwohl ich ihn gut verstanden hatte. „Drei Etage“, ergänzte der Mann und hielt drei Finger der rechten Hand in die Luft. Ich hielt mir die Hand vor den Mund und sagte: „Oh Gott“.

Am frühen Nachmittag, meine Zigaretten waren inzwischen alle, ging ich wieder in den Zeitungsladen. Die Rettungsfahrzeuge waren alle weg, nichts erinnerte an den morgendlichen Einsatz und den Toten. Ich fragte den türkischen Verkäufer, ob er denn jetzt mehr wisse. Er zuckte mit den Achseln und sagte nur: „Mann tot“. Zu Hause schaute ich im Internet nach, aber in den Meldungen der Berliner Polizei tauchte der Todesfall nicht auf. Ich war froh, dass ich am Morgen ein grünes Feuerzeug gewählt hatte. Grün wie die Hoffnung.

Barbara Bollwahn

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