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Würde man alle Milizen, Gruppen und Verbände der Kurden in eine Grafik packen, wäre es wohl die irrste Grafik der Welt. Ein Überblick über die wichtigsten ParteienKämpfer für Kurdistan

Die Promis

Name:Kurdische Arbeiterpartei (PKK), Türkei

Gründung:1978 in Lice, einem kleinen Ort nördlich von Diyarbakir

Chef:Abdulla Öcalan, kurz Apo, weshalb seine Anhänger auch Apocular genannt werden. Öcalan war in den 1970er Jahren Mitglied einer türkischen linksradikalen Gruppe und gründete die PKK als marxistische Organisation. Um Öcalan entwickelte sich im Laufe der Jahre ein Kult. Apo ist nicht nur der Parteiführer, er wird als Prophet und Erlöser verehrt. Da Öcalan seit 1999 in Haft auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer sitzt, wird die Organisation seitdem von einem Exekutivrat geführt, dessen bekannteste Vertreter Cemil Bayik und Murat Karayilan sind. Die Führungsspitze der PKK sitzt im Nordirak in einem gut gesicherten Gebiet in den Kandil Bergen. Von hier und von ihrer politischen Spitze in Europa wird die PKK gesteuert.

Politisches Programm: In den Anfangsjahren bekämpfte die PKK hauptsächlich kurdische Gro§grundbesitzer, um die abhängigen Bauern zu befreien, die diese Aktionen der Linksradikalen aber oft ablehnten. Die PKK ist straff hierarchisch organisiert. Widerspruch wird nicht geduldet, Kritiker am Kurs des großen Vorsitzenden wurden vielfach als Verräter erschossen und selbst in Europa verfolgt. Die PKK und Öcalan haben wesentlich dazu beigetragen, dass unter den 15 Millionen Kurden in der Türkei ein echtes Nationalbewusstsein entstand. Aus der ehemals marxistischen PKK ist eine Nationalbewegung geworden, die in gewisser Weise moderner ist als die traditionellen kurdischen Stammesorganisationen im Irak, im Iran und in Syrien, weshalb sie auch in diesen Ländern eigene Ableger gründen konnte. Begünstigt durch die starke Migration aus der Türkei nach Europa, gelang es der PKK auch, unter den kurdischen Migranten in Deutschland, Frankreich und den Beneluxländern eine starke Organisation aufzubauen.

Operationsgebiet:Die Zäsur kam mit dem Militärputsch in der Türkei am 12. September 1980. Öcalan und seine engsten Mitstreiter flohen nach Syrien. Von Syrien und ihren Trainingslagern im Libanon aus, bereitete die PKK ihren bewaffneten Kampf in der Türkei vor. Am 15. August 1984 überfielen erstmals bewaffnete PKK-Guerilleros türkische Gendarmerie-Stützpunkte entlang der syrischen und irakischen Grenze. Aus einzelnen Überfällen entwickelte sich schnell ein Guerillakrieg, der das gesamte kurdisch besiedelte Gebiet im Südosten des Landes umfasste. Trotz massiven militärischen Einsatzes und äußerst brutalen Vorgehens des Militärs, gelang es nicht, die Guerilla zu besiegen. Das lag unter anderem auch daran, dass die PKK-Einheiten sich immer wieder nach Syrien und in den Nordirak zurückziehen konnten und mindestens zeitweilig auch vom syrischen Geheimdienst unterstützt wurden. Ende 1998 ließ das türkische Militär dann zwei ganze Panzerarmeen an der syrischen Grenze auffahren und drohte Hafis al-Assad, dem damaligen syrischen Diktator und Vater des jetzigen Baschar al-Assad, in Syrien einzumarschieren, wenn Öcalan nicht ausgeliefert würde. Assad lieferte Öcalan zwar nicht aus, zwang ihn aber, Syrien zu verlassen. Daraufhin irrte Abdullah Öcalan mehrere Wochen durch Europa und Afrika, bis er am 15. Februar 1999 in Kenia vom türkischen Geheimdienst mit Unterstützung der CIA geschnappt und in die Türkei gebracht wurde.

Aktuelle Situation:Auf Anweisung des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Erdogan hat der türkische Geheimdienst MIT ab etwa 2005 angefangen, mit dem PKK-Chef zu sprechen. Es gab infolgedessen Geheimverhandlungen mit der PKK in Oslo, die aber scheiterten. Daraufhin gab Erdogan 2012 öffentlich bekannt, dass er der MIT den Auftrag gegeben habe, mit Öcalan über den Friedensprozess mit der PKK zu sprechen. Im März 2013 rief Öcalan die PKK dann auf, einen Waffenstillstand in der Türkei einzuhalten. Dieser Waffenstillstand hat bis zu dem Attentat in Suruc am 20. Juli 2015 im Wesentlichen gehalten. Danach wurde er sowohl von der PKK als auch von Erdogan aufgekündigt. Jürgen Gottschlich

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