Bauern belagern Paris

Agrar Tausende Landwirte aus ganz Frankreich setzen bei Demonstration die Regierung unter Druck. Sie fordern, Abgaben und Umweltauflagen auf deutsches Niveau zu senken

Pariser winken protestierenden Bauern zu – obwohl diese den Verkehr behindern Foto: Thibault Camus/ap

Aus Paris Rudolf Balmer

Aus allen Himmelsrichtungen trafen am Donnerstagmorgen mit ihren Traktoren mehrere tausend Bauern zu einer Kundgebung auf der Place de la Nation in Paris ein. Trotz der erheblichen Verkehrsbehinderungen begrüßten viele Menschen die Demonstranten mit Applaus. Auch eine neue Umfrage bestätigt, dass 86 Prozent der Franzosen die Forderungen der Bauern teilen. „Une France sans pay­sans?“ (Ein Frankreich ohne Bauern?) – das ist das Schreckensbild, das die Demonstranten zeichnen, falls die Preise etwa für Milch oder Schweinefleisch so niedrig bleiben wie bisher oder gar weiter fallen.

Bei der Versammlung ein paar Tage vor dem außerordentlichen Treffen der EU-Agrarminister in Brüssel ging es für die Bauern darum, möglichst sicht- und hörbar Präsenz zu zeigen. Sie schimpften über die „Bürokraten“ und auch über die „Grünen“, die ihnen immer mehr Normen in Sachen Tierhaltung, Umwelt, Konsumentenschutz oder Hygiene auferlegten. All das bedeute Kosten, und diese gingen zulasten ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Sie sagen, sie wollten nicht Subventionen oder gar Almosen, sondern faire Wettbewerbsbedingungen.

Darum müsse ihre Abgabenlast sinken. Auch wollen sie so niedrige Personalkosten wie beispielsweise in Deutschland. Viele wissen, dass auch dort die Landwirte leiden – unter dem Russland-Embargo, sinkenden Importen Chinas oder dem Ende der EU-Milchquote, die bis vergangenen April die Produktionsmenge begrenzt hatte. Im Protest gegen die „unlautere Konkurrenz“ der Nachbarn werden dennoch schnell auch antideutsche Töne und ein blanker Hass auf die EU hörbar.

Trotz des geselligen Picknicks mit Wein, Wurst und Obst aus allen Landesteilen auf dem großen Platz im Osten von Paris möchten die Bauern nicht, dass ihr Treffen als „Folk­lore“ missverstanden wird. Sie kommen mit knallharten Forderungen an die Regierung. Ende Juli hatte diese einen Dringlichkeitsplan mit 600 Millionen Euro Hilfe angekündigt, der die Existenzkrise der Milchbauern und Viehhalter nicht gestoppt hat. Jetzt will der Bauernverband FNSEA 3 Milliarden Euro. Die Regierung steht vor einem Dilemma, denn es ist nicht sicher, dass die Steuerzahler es schlucken, wenn sie ihre Liebe für die Landwirtschaft so teuer zu stehen kommt.

Auch in Deutschland leiden viele Höfe unter niedrigen Preisen

Eine Delegation der protestierenden Bauern wurde in der französischen Nationalversammlung von Abgeordneten empfangen. Auch Premierminister Manuel Valls traf Vertreter der Landwirte.

Die EU-Agrarminister wollen am kommenden Montag über die Krise beraten. Aus EU-Kreisen in Brüssel verlautete, ein Teil der Regierungen könne sich Regelungen vorstellen, die den gerade erst ausgelaufenen Milchquoten ähneln. Unklar ist aber, ob sich die Mitglied­staaten auf größere Eingriffe in den Markt einigen werden. Gesprochen werden solle nicht über „Produktionskontrolle, aber über Produktionsmanagement“, hieß es.