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EU-Asylrecht außer Kraft gesetzt

Recht Berlin schickt Syrer nicht in andere EU-Staaten zurück

BERLIN taz | Deutschland schickt syrische Flüchtlinge nicht mehr in andere EU-Staaten zurück. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wies seine Mitarbeiter am vergangenen Freitag an, keine entsprechenden Verfahren mehr einzuleiten. Schon laufende Rücknahmeverfahren seien abzubrechen. Das sogenannte Dublin-System ist damit bei ­syrischen Flüchtlingen in Deutschland außer Kraft gesetzt. Gemäß der Dienstanweisung, die der taz vorliegt, sollen sie auch dann ein Asylverfahren in Deutschland bekommen, wenn die Überstellung unmittelbar bevorstand.

Laut der europäischen Dublin-III-Verordnung dürfen Flücht­linge nur in dem Mitgliedstaat Asyl beantragen, über den sie in die EU einreisen. Das sind in der Regel die Staaten an den Außengrenzen, wie Bulgarien, Ungarn, Italien oder Griechenland. Ziehen die Menschen weiter und stellen etwa in Deutschland einen Asylantrag, kann Deutschland die Durchführung des Asylverfahrens verweigern und sie zurückschieben.

Die letzten Zahlen zu den Dublin-Verfahren liegen für den Zeitraum von Oktober 2014 bis März 2015 vor. In dieser Zeit hat Deutschland 5.625 Übernahmeersuchen für syrische Flüchtlinge gestellt. Betroffen war damit etwa jeder siebte Syrer, der in Deutschland Asyl beantragt hatte. Bis Juli haben im laufenden Jahr 42.100 Syrer einen Asylantrag in Deutschland gestellt.Der Grund für die nun geänderte Praxis dürfte sein, dass das Dublin-Verfahren insgesamt immer schlechter funktioniert. Nur ein Bruchteil der Flüchtlinge wird tatsächlich zurückgeschoben. Die meisten Überstellungsersuche stellt Deutschland an Italien, gefolgt von Ungarn und Bulgarien. In allen Ländern ist die humanitäre Lage durch die hohen Flüchtlingszahlen extrem angespannt.

Wegen der dramatischen Zustände in den dortigen Aufnahmelagern sind Rückschiebungen nach Griechenland bereits seit 2011 ausgesetzt. Auch Klagen gegen Abschiebungen nach Italien hatten in der Vergangenheit Erfolg. Vor drei Wochen dann stoppte das Verwaltungsgericht Münster die Abschiebung eines syrischen Asylbewerbers nach Ungarn. Dem Mann drohe dort eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung“, so die Richter. Christian Jakob

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