Heidenau Polizei verbietet Willkommensfest für Flüchtlinge. Die Initiatoren klagen mit Erfolg
: „Offensichtlich rechtswidrig“

Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Heidenau Foto: Florian Boillot

aus Dresden und Heidenau Michael Bartsch

Um 12.54 Uhr ging die von den Organisatoren erhoffte Mitteilung des Verwaltungsgerichts Dresden ein: Ein vom Landkreis Sächsische Schweiz – Ost­erzgebirge verhängtes viertägiges Versammlungsverbot für Heidenau ist „offensichtlich rechtswidrig“, lautet der Kernsatz der Entscheidung. Ein Willkommensfest für Flüchtlinge darf an diesem Wochenende nun doch in Heidenau stattfinden. Wenn der Landkreis nicht doch noch recht bekommt. Er hat Beschwerde bei der nächsthöheren Instanz eingelegt.

In Heidenau hatten am vorigen Wochenende Hunderte Nazis und Anwohner gegen Flüchtlinge protestiert. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, mehr als 30 Polizisten wurden verletzt. Später hatten auch Antifas dort demonstriert.

Der Landkreis hatte deshalb für dieses Wochenende einen polizeilichen Notstand geltend gemacht und ein viertägiges Versammlungsvebot verhängt. Damit wäre auch das von dem Bündnis „Dresden Nazifrei“ geplante Willkommensfest ausgefallen.

Die Polizei argumentierte, sie könne das Fest und eine für Freitagabend angemeldete rechte Gegendemonstration nicht ausreichend absichern. Das hielt das Gericht in seiner Eilentscheidung nicht für ausreichend, das Versammlungsverbot sei daher „unverhältnismäßig“.

Zuvor hatte Henning Obens, amtierender Sprecher des Bündnisses und Hauptorganisator des Willkommensfestes, die Land­kreisverfügung bereits als „Armutszeugnis“ und „Kapitulation“ bezeichnet. „Das ist ein politisches und kein polizeiliches Problem“, kritisierte er die Behörden.

Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, erklärte, in jedem Fall nach Heidenau zu fahren. Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, unterstellte dem Grünen beabsichtigten Rechtsbruch und Gefährdung von Polizisten und Flüchtlingen. Özdemir besuchte nach seiner Ankunft am Freitag zuerst die Flüchtlingsunterkunft. Wenig später stieß auch der sächsische SPD-Landesvorsitzende und Wirtschaftsminister Martin Dulig zum Fest für die Flüchtlinge.

Am Nachmittag sammelten sich bereits mehrere hundert Sympathisanten auf einem angrenzenden Parkplatz, den auch Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch bei ihrem Besuch passiert hatte. Die Polizei eskortierte ankommende Gruppen, die zum Teil bis aus München angereist waren. Sie mischten sich mit Asylbewerbern, die aus der Unterkunft strömten. Wegen der späten Rücknahme des Verbots wirkte der Aufbau des Festes zunächst improvisiert.

Der Stimmung tat dies indessen keinen Abbruch. Mehrere Dutzend Flüchtlinge halfen beim Tragen von Lautsprecheranlagen. Eine lange Schlange bildete sich an einem Lkw mit Hilfsgütern. Binnen einem Tag waren die Spenden in Berlin gesammelt worden. Auseinandersetzungen deuteten sich bis Redaktionsschluss noch nicht an.

Währenddessen deutet sich auch in der sächsischen CDU eine neue Nachdenklichkeit an. Beim Mediensommerfest der Union am Donnerstag in Dresden zeigte sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich immer noch schockiert von seiner Begegnung mit Heidenauer Einwohnern tags zuvor beim Merkel-Besuch. Er hätte so viel Hass und Menschenverachtung nicht für möglich gehalten, äußerte er sichtlich fassungslos. „Ich frage mich, ob es auf dieser Stufe überhaupt noch eine Möglichkeit des Dialogs gibt“, sagte Tillich.