piwik no script img

Berlin und die Flüchtlinge„Sand im Getriebe“

Der Bezirksbürgermeister von Mitte Christian Hanke kritisiert das Tempo des Koordinierungsstabs Flüchtlingsmanagement. Czaja selbst schwänze Sitzungen.

Noch nicht perfekt organisiert: die Lage vor dem Lageso in Berlin. Foto: DPA
Interview von Alke Wierth

taz: Herr Hanke, in Mitte liegt die Erstanlaufstelle für Flüchtlinge des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso). Sie kritisieren, dass dort immer noch zu wenig passiert.

Christian Hanke: Ja. Ich habe aber keineswegs, wie andere Zeitungen berichten, gefordert, deshalb den Katastrophenfall auszurufen. Flüchtlinge sind keine Katastrophe. Ich habe jedoch angeregt, ähnliche Arbeitsabläufe zum Einsatz zu bringen.

Was würde das bedeuten?

Etwa dass, wenn abends 200 Menschen ohne Obdach vor dem Lageso stehen, bestimmte Alarmierungsketten in Gang gesetzt werden, um diese Menschen zu versorgen und unterzubringen. Hier wird das Lageso alleingelassen. Oder dass ehrenamtliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen von ihren Arbeitgebern bezahlt freigestellt werden. Denn derzeit funk­tio­niert die Hilfe nur durch die Ehrenamtlichen. Das wird aber schwieriger werden, wenn die Urlaubszeit vorbei ist und die Uni wieder beginnt.

Im Interview: 

(SPD), 1962 in Berlin geboren, Deutsch- und Sozialkundelehrer, Dr. phil., ist seit 2006 Bürgermeister von Mitte.

Um all das soll sich längst der Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement kümmern, den der zuständige Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) vor knapp drei Wochen gegründet hat.

Seither sind ein paar Prozesse in Gang gekommen. Bei anderen ist aber viel Sand im Getriebe.

Warum?

Es fehlten bei manchen wichtigen Sitzungen Entscheidungsbefugte aus der Senatsverwaltung für Gesundheit und So­ziales, also Staatssekretäre oder der Senator. Deshalb hat die Entscheidung für einen Medipoint zur Gesundheitsversorgung auf dem Lageso-Gelände auch so lange gedauert.

Schwänzen auch andere Senatsverwaltungen?

Von der Innen-, der Finanz- und der Integrationsverwaltung etwa sind eigentlich immer Leute vertreten, die Entscheidungen treffen können. Bei einer wichtigen Sondersitzung am Montag, als es auch um Gesundheitsversorgung ging, war es Czaja selbst, der nicht da war. Ich habe nicht beobachtet, dass andere Senatsverwaltungen fehlten. Doch auch dort läuft manches zu langsam.

Etwa?

Es ist nicht einzusehen, warum die Senatsverwaltung für Inneres so lange braucht, um zu prüfen, wie man pensionierte Beamte oder Verwaltungsangestellte wieder einsetzen und dafür bezahlen kann. Ein Papier dazu sollte am Montag vorliegen. Das tut es nach meiner Kenntnis bis jetzt nicht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 /