piwik no script img

Geschichte des HammerwerfensWer den Hammer wohin gehängt hat

Beim Frauen-Hammerwurf gewinnt Anita Włodarczyk. Dass es eine WM-Sportart ist, liegt an schottischen Schmieden und der NS-Sportpolitik.

Echt der Hammer: Seit dem Jahr 2000 ist Hammerwerfen der Frauen auch olympisch. Foto: dpa

Berlin taz | Eine leichte Übung ist das nicht, worüber Anita Włodarczyk im Pekinger Vogelnest-Stadion gejubelt hat. Den Hammerwurf-Wettbewerb der Frauen gewann die Polin mit 80,85 Metern. Die Weltrekordhalterin siegte deutlich und souverän vor Zhang Weng (China, 76,33 Metern) und Alexandra Tavernier (Frankreich, 74,02 Meter). Die DLV-Starterinnen Kathrin Klaas und Betty Heidler, die als Favoritin gehandelt wurde, erreichten die Plätze sechs und sieben.

Genaugenommen ist das Hammerwerfen keine Disziplin der Leichtathletik, sondern des Rasenkraftsports und gehört ganz offiziell zur Schwerathletik. Dennoch wurde Włodarczyk genau so Leichtathletikweltmeisterin wie ihr gleichfalls polnischer Männerkollege Pawel Fajdek, der am Sonntag den Titel gewann.

Dass die schweren Geräte – 7,26 Kilogramm bei den Männern, 4 Kilo bei den Frauen – in Deutschland im Rahmen der Leichtathletik geworfen werden, ist durch eine Kooperationsvereinbarung von Deutschem Leichtathletik- (DLV), Deutschem Rasenkraftsport- und dem Tauzieh-Verband (DRTV) geregelt. 2008 einigten die sich darauf, dass „die Disziplin Hammerwerfen im DRTV lediglich Bestandteil des Dreikampfs ist“, anders als etwa Gewichtwerfen und Steinstoßen, für die es einzelne DRTV-Meisterschaften gibt.

Die Kooperation hat eine komplizierte Herkunft: In den 20er Jahren gab es oft noch zwei deutsche Hammerwurfmeister – einen bei den Rasenkraftsportlern, einen bei den Leichtathleten. 1933 aber nutzte der DLV Möglichkeiten, die er durch den Machtantritt der Nazis für sich erkannte, und reklamierte sowohl Steinstoßen als auch Hammerwerfen als leichtathletische Disziplinen. Die Rasenkraftsportler gaben klein bei und erfanden ihren Dreikampf. Dem deutschen Hammerwerfen tat der Wechsel gut: 1936 bei den Olympischen Spielen konnte ein deutscher Doppelsieg gefeiert werden.

Den Hammer erobert

Frauen allerdings warfen da noch lange nicht mit, zumindest nicht in Deutschland. Zwar wird eine erste inoffizielle Weltbestleistung aus dem Jahr 1931 überliefert: 17,04 Meter weit warf die Spanierin Lucinda Moles einen Hammer in Madrid, über dessen Gewicht nichts bekannt ist.

Erst ab den 80er Jahren eroberten in den USA Leichtathletinnen den Hammer für sich. In Deutschland allerdings blieb Hammerwerfen ein Männersport.

Zumindest in der Leichtathletik. Der DRTV hingegen hatte schon im Jahr 1981 beschlossen, dass das Hammerwerfen und die anderen Disziplinen seines Dreikampfs auch für Frauen und Mädchen geöffnet werden. Und schon seit 1986 gibt es hier offizielle Deutsche Meisterinnen – freilich nur im Dreikampf.

Die meisten Historiker halten das mittelalterliche Schottland für das Herkunftsland. Es sei eine Möglichkeit gewesen, sich in einer Schmiede die Zeit zu vertreiben.

Der deutsche Sportfunktionär und -theoretiker Carl Diem (1882–1962) hingegen vermutete eine biblische Herkunft: Es seien „in den Dörfern, Städten und Festungen von ganz Judäa ‚als alter Brauch‘ runde Steine von sehr schwerem Gewicht“ geworfen worden, „an denen die jüdische Jugend trainierte“, heißt es in Diems „Weltgeschichte des Sports“. Steine, wie sie auch David gegen Goliath verwandt habe, seien an einen „Strick aus Hanf, Lein, Haaren oder Tiersehnen“ befestigt gewesen.

Als deutsche Besonderheit gilt, dass das Hammerwerfen im 15. bis zum 17. Jahrhundert zu einer Methode der Rechtsprechung wurde: Mit dem Wurf des Hammers wurde bestimmt, wie viel Land an Bauern ging und welches Allgemeingut blieb.

Seit dem Jahr 2000 immerhin ist Hammerwerfen auch für Frauen olympisch, und damit als Sportart eben auch für alle offen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • ff - aber Hallo!

     

    & - Wie sich beim Fotokopieren der NOK-Enstehungsakte vielfältig zeigte -

    Disste dieser Herr Diem systematisch die wenigen

    Überlebenden der

    Arbeitersportbewegung zugunsten einer

    Doninanz der bürgerlichen Sportbewegung*

    (Org -> NOK & SportFachverbände vs Landessportbünde!)

     

    & nochens - Wenn ichs aus Trümmerkindgrabungen richtig weiß -

    - sah der Hammer a Kraftsport/Arbeiterbewegung auch sehr anders aus -

    Eine Triangel mit einer Kugel an einem beweglichen Ring.

     

    kurz - Zu dem hier beweihräucherten Olympia-Ergebnissen - 1936 in Nazideutschland -

    Verbietet sich angesichts der systematischen Zerschlagung der weit mitgliederstärkeren

    Arbeitersportbewegung (der DSB erreichte erstmals Anfang der 70er deren Mitgliederzahlen!) durch die Nazis - einschl. KZ-Terror - wirklich -

    Jeglicher Kommentar.

     

    (ps - * fair play bedeutete bis dato z.B. -

    Keiner durfte an einem

    Ruderrennen teilnehmen - der mit seiner Hände

    Arbeit sein Geld verdiente!

    Prom. Opfer - weltbester Skuller John B. Kelly sen.;) wg "Maurer" https://de.m.wikipedia.org/wiki/John_B._Kelly_senior -)

     

    pps - Leibesübungen kann den

    Kopf gelegentlich durchaus miteinbeziehen.

    Schach firmiert schließlich selbst inne faz unter Sport;

    auch lesen/recherchieren schadet nicht;)

    http://www.taz.de/Geschichte-des-Hammerwerfens/!5223691/

  • Voll der Hammer -

     

    "Der deutsche Sportfunktionär und -theoretiker Carl Diem (1882–1962) hingegen vermutete eine biblische Herkunft…"

     

    "Er schlug auch die Einbeziehung einer Langemarck-Weihestätte bei der Planung zum Berliner Olympia-Gelände vor. Beim Bau inszenierte er mit einem NS-Totenkult ein Erdritual, bei dem von ihm selbst beschaffte „blutgetränkte“ Erde vom Langemarck-Schlachtfeld in einem Schrein der Langemarckhalle versenkt wurde.…

     

    Auch Sätze wie „Sport ist freiwilliges Soldatentum“ stammen von Diem. Noch am 18. März 1945 rief er Mitglieder der Hitlerjugend in einer flammenden Rede[11] im Kuppelsaal des Berliner Olympiageländes zu einem „finalen Opfergang für den Führer“ auf:[12] Diem zitierte in seiner Rede den Dichter Tyrtaios: Schön ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland ficht, für das Vaterland stirbt.…

     

    Diem war dem NS-Staat in vielen Ämtern dienstbar und wusste seit Sommer 1943 vom Holocaust. Er hielt an seinen Ämtern fest, …" https://de.m.wikipedia.org/wiki/Carl_Diem

    & have a look for the BRD-Rest im IM et al.

     

    ff yes!

  • „in den Dörfern, Städten und Festungen von ganz Judäa ‚als alter Brauch‘ runde Steine von sehr schwerem Gewicht“ geworfen worden, „an denen die jüdische Jugend trainierte“, heißt es in Diems „Weltgeschichte des Sports“. Steine, wie sie auch David gegen Goliath verwandt habe, seien an einen „Strick aus Hanf, Lein, Haaren oder Tiersehnen“ befestigt gewesen."

     

    Ironie der Geschichte: heute führen die Palästinenser diese Tradition fort.