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Versteckte Perle

Pflanzen Der Sondergarten Wandsbek hat zwar eine vielfältige Pflanzenwelt, darf sich aber nicht Botanischer Garten nennen. Besucher sollen trotzdem etwas lernen

Liegt unscheinbar hinter der Walddörferstraße: der Botanische Sondergarten Foto: Miguel Ferraz

von Darijana Hahn

Nichts deutet auf der langen Walddörferstraße in Hamburg-Wandsbek darauf hin, welche Oase sich an der Nummer 273 befindet. Zwischen unscheinbaren Häusern und der Straßenabzweigung „Am Schulgarten“ ist der Eingang zum Botanischen Sondergarten. Auf 1,5 Hektar grünt und vor allem blüht es hier in allen Farben.

Über 1.000 Pflanzen sind auf dem Areal versammelt. Palmen wachsen hier, aber auch Bananenstauden, Ziergehölze und verschiedenste Büsche. Überall blüht es in bunten Farben, eine wahre Blütenpracht. Die Grünanlage wirkt in all ihrer Vielfalt wie ein Botanischen Garten. Weil es in Wandsbek aber keine wissenschaftliche Begleitung gibt, darf das Areal die Bezeichnung „Botanischer Garten“ nicht tragen. „Und deswegen heißen wir halt ‚Sondergarten’“, erklärt der Leiter der Anlage, Helge Masch.

Der Name „Botanischer Sondergarten“ kam erst 1953 auf. 30 Jahre früher wurde das Gelände vom Wandsbeker Lehrerverein als Schulgarten nutzbar gemacht. Während des Weltkrieges wurde er zum Gemüseanbau genutzt. Heute steht wieder die Wissensvermittlung im Vordergrund: „Wir wollen Informationen mit auf den Weg geben“, sagt Gartenleiter Masch.

Wahl zur Giftpflanze des Jahres

Der Garten lobt beispielsweise die Wahl zur Giftpflanze des Jahres aus. Seit 2005 wird jährlich ein neuer Kandidat gekürt. Dieses Jahr ist es der Rittersporn, dessen Bestandteile – von den Blättern bis zu seinen prächtigen blauen Blüten – giftige Alkoide enthalten. In einem Begleitprogramm lernen interessierte Besucher „ohne viel Schnickschnack weitere Pflanzen kennen, die sie lieber nur ansehen und nicht berühren oder verzehren sollten“.

Masch möchte damit bezwecken, dass „sich die Menschen mit den Pflanzen auseinandersetzen und sich für deren Geschichten interessieren.“ Ihm ist das wichtig. Seit 1994 leitet er den Garten. Die Pflanzen bezeichnet er als „so was wie seine Kinder“. Und von jedem dieser Pflanzenkinder könnte der 51-jährige Gärtner unendlich viel erzählen.

Da ist die Legende um den Korallenstrauch, der „im Moment so etwas zickig ist, weil er kurz vor der Blüte steht“, erklärt Masch und streicht behutsam über die Strauchblätter. Wenn er denn schließlich blüht, beeindruckt er mit purpurroten Blüten, die der Legende nach entstanden sein sollen, als die Häuptlingstochter Anahí in Südamerika von spanischen Eroberern an einem Baum verbrannt werden sollte. Doch anstelle von Brandspuren und einer Leiche fand man am nächsten Tag eine purpurrote Blütenpracht.

Solche Legenden, Biographien von berühmten Pflanzenforschern, Nationale Tage wie den Tag des Senfes oder des Bieres sowie das Keltische Baumhoroskop präsentiert Masch im so genannten „Botanischen Kalenderblatt“, das online und auf einer Stelltafel im Veranstaltungshaus im Garten zu ersehen ist.

Unterstützt wird Masch im Sondergarten von zwei weiteren festen Mitarbeitern, einem jungen Mann, der hier sein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert und etwa zwei Dutzend ehrenamtlichen Helfern. Die sorgen nicht zuletzt dafür, dass der Garten auch außerhalb der Arbeitszeiten der Festangestellten besucht werden kann.

Ehrenamtliche geben Kurse über Räucherpflanzen

Veranstaltungstipp

Unter dem Motto „Natur ganz nah!“ lädt die Metropolregion Hamburg am 12. September in den Botanischen Sondergarten Wandsbek ein.

Bei einer Entdeckungstourkönnen Besucher „Naturschätze“ aus der Metropolregion kennenlernen, wie zum Beispiel den Erlebniswald Trappenkamp, das Fledermauszentrum Noctalis oder das Biosphärenreservat Schaalsee-Elbe.

Ein buntes Rahmenprogrammmit Musik, Walking-Acts und Naturführungen gibt es zwischen 14 und 18 Uhr.

Infos unter:http://bit.ly/1NEoUwp

Viele Ehrenamtliche bringen sich auch in das umfangreiche Begleitprogramm ein, bieten vogelkundliche Rundgänge oder Kräuterwanderungen an und führen Besucher in die Orchideenpflege oder den Obstbaumschnitt ein. Als besonders beliebt hat sich ein Angebot herausgestellt, mit dem Masch und seine Kollegen zunächst gar nichts anfangen konnten: „Räuchern für die Sinne“. Dabei geht es nicht um die besten Techniken des Räucherns von Forellen oder anderen Nahrungsmitteln. Vielmehr stellt darin die ehrenamtliche Gartenhelferin Anke Fricke heimische Räucherpflanzen vor, die „richtig angewandt, die uns umgebende Atmosphäre reinigen und klären können“. Ziemlich esoterisch.

Besucher sollen im Garten entspannen

Unabhängig von solchen Kursen und Angeboten lädt Gartenexperte Masch seine Besucher dazu ein, die Vielfalt der Pflanzenwelt im Botanischen Sondergarten ganz bewusst wahrzunehmen. „Wichtig ist, dass man mal ganz genau hinschaut, ohne Eile und Hektik, und sich auf die Dinge einstellt“, sagt Masch. Er hofft, dass die Spaziergänger im Garten dabei nach einem stressigen Tag genauso gut entspannen können, wie er selbst.

Denn sein Hauptanliegen liegt bei aller Liebe zur Wissensvermittlung und dem Geschichtenerzählen darin, dass der Botanische Sondergarten Wandsbek mit seiner Pflanzenvielfalt und seinen Sitz- und Liegemöglichkeiten als „Grünanlage zum Wohlfühlen“ benutzt wird.

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