piwik no script img

„Antriebslos und passiv“

VORTRAG Im Zentrum für seelische Gesundheit geht es um Depressionen am Arbeitsplatz

Henning Faulenbach

45, ist Chefarzt des Zentrums für seelische Gesundheit und Spezialist für Psychiatrie und Psychotherapie.

taz: Herr Faulenbach, warum werden Menschen am Arbeitsplatz depressiv?

Henning Faulenbach: Das hat unterschiedliche Gründe: chronische Überlastung, Überstunden und letztendlich auch ­Burnout. Hektik und Stress wirken sich negativ auf die Psyche aus.

Wen betrifft das besonders?

Häufig sind Menschen betroffen, die in ihrer Arbeit keinen Erfolg sehen. Wenn zum Beispiel im Büro ein Stapel Papiere nach dem anderen kommt und die Arbeit gar kein Ende zu nehmen scheint. Ausbleibendes Lob für die getane Arbeit kann auch ein Grund sein.

Woran erkennt man Depression bei Kollegen?

Viele haben eine gute Fassade, sodass man ihnen das nicht ansieht. Bei schweren Fällen merkt man aber: Sie wirken antriebslos und passiv, reden etwa kaum noch, wirken ungepflegt. Man muss sehen, wie sich die Menschen verändern. Wenn eine früher lebenslustige Person jetzt still wirkt, stimmt da etwas nicht.

Wie können Depressionen vermieden werden?

Gesund leben ist wichtig. Man muss Privates von der Arbeit abgrenzen. Überstunden verursachen Schaden. Es ist wichtig, auch mal „Nein“ zu sagen. Und wenn man merkt, dass die Arbeit einen überlastet, muss man sich Unterstützung holen. Man kann mit dem Chef reden und vereinbaren, erst mal nur vom Home Office oder in Teilzeit zu arbeiten. In schweren Fällen ist ärztliche Hilfe unumgänglich.

Kommen Depressionen heute häufiger vor?

Etwa zehn Prozent aller Arbeitnehmer erkranken im Laufe ihres Lebens. Vor hundert Jahren gab es keine Aufzeichnungen über depressives Verhalten, daher können wir es nicht vergleichen. Aber der Leistungsdruck wiegt schwerer. Heute gibt es Multitasking und Deadlines. Dank Handys und Computer ist man ständig verfügbar – muss ständig verfügbar sein. Es gibt weniger Freiräume, um sich zurückzuziehen.

Interview: Thomas Kreutz

19 Uhr, Zentrum für seelische Gesundheit , Neuenstraße 11

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen