Als die Russen kamen

DDR SED-Funktionäre nannten die Sowjetsoldaten „Freunde“. Für viele waren sie schlicht „Russen“. Über das schwierige Verhältnis berichtet die Schau „Verordnete Freundschaft‘“

Zur Geschichte der Roten Armee gehört auch die Niederschlagung des Aufstands am 17. Juni 1953 in Ostberlin mit T-34-Panzern Foto: Kreusch/ap

von UWE RADA

Als Michael Gorbatschow im Oktober 1989 zum Staatsbesuch in die DDR reiste, war ihm der Jubel der Ostberliner sicher. Allerdings durfte dieser Jubel nicht gezeigt werden. Eine Demo, die an der Gethesemanekirche in Prenzlauer Berg startete, wurde von der Polizei am 7. Oktober eingekesselt und niedergeknüppelt. Diejenigen, die es dennoch bis zum Palast der Republik und zum offiziellen Empfang schafften, riefen: „Gorbi, hilf uns!“

War Michail Gorbatschow, der Staats- und Parteichef aus Moskau, nun ein Sowjetmensch? Oder war er ein Russe? Denn zwischen diesen beiden Polen changierte das Bild von den Rotarmisten in der DDR, wie die Ausstellung „Verordnete Freundschaft“ zeigt, die am Dienstag im Abgeordnetenhaus eröffnete.

„In unseren Schulbüchern sahen wir die Bilder strahlender, am Kommunismus hämmernder Sowjetmenschen. Sie waren groß, stark und sahen aus wie Sieger“, erinnerte sich die ehemalige DDR-Oppositionelle Freya Klier bei der Eröffnung der Ausstellung. „Und dann gab es noch die Russen – die aber waren bei uns.“

Auch am Mauerbau am 13. August 1961 war die Rote Armee beteiligt. Nachdem sich Walter Ulbricht bei dem sowjetischen Partei- und Staats­chef Nikita Chruschtschow beklagt hatte, dass bereits zwei Millionen Menschen die DDR verlassen hätten, reagierte Moskau. Der Oberbefehlshaber der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, Armeegeneral Iwan Jakubowski, wurde beauftragt, Vorkehrungen zum Sperren der Sektorengrenze zu treffen.

In Berlin wird am heutigen Donnerstag an die Opfer der deutschen Teilung erinnert. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) wird in der Mauer-Gedenkstätte an der Bernauer Straße Kränze niederlegen. Zuvor gibt es um 10.30 Uhr eine Andacht in der Kapelle der Versöhnung auf dem früheren Todesstreifen. Auch an vielen anderen Orten sind Gedenkveranstaltungen geplant. An der Glienicker Brücke gibt es um 20.00 Uhr eine Lichterkette. (wera, dpa)

Freya Klier hat die Ausstellung in der Wandelhalle des Parlaments kuratiert und dabei den Fehler vermieden, das Verhältnis von Sowjetsoldaten und DDR-Bürgern als politische Beziehungsgeschichte zu erzählen. Vielmehr rückte sie persönliche Schicksale in den Vordergrund.

Zum Beispiel das von Alexander Latotzky, der die Geschichte seiner Mutter erzählt. Sie wurde 1948 als „US-Spionin“ zu 15 Jahren Zwangsarbeit im Straflager Torgau verurteilt. Ihr Vergehen: Sie hatte bei der Berliner Polizei ausgesagt, wie zwei Sowjetsoldaten ihre Mutter zuerst vergewaltigt und dann ermordet hatten. Zwar begann die Staatsanwaltschaft zu ermitteln. „Doch dann beschlagnahmte die sowjetische Kommandantur die Akten“, erzählt Latotzky, „und statt der beiden Rotarmisten verhafteten sie meine Mutter.“

In der Haft verliebte sich Latotzkys Mutter in einen ukrainischen Bewacher und wurde schwanger. „Als das Verhältnis herauskam, verschwand mein Vater“, so Latotzky. Er wurde gefasst, nach Sibirien deportiert und dort hingerichtet.

„In den Schulbüchern sahen wir strahlende Sowjetmenschen“

Freya Klier, Kuratorin

Sowjetsoldaten, das zeigt die berührende Geschichte von ­Alexander Latotzky, waren in der DDR also beides: Täter und Opfer. Vor allem Liebesbeziehungen waren in der Stalinzeit streng verboten, berichtet Freya Klier. Aber auch später waren sie unerwünscht. Erst in den siebziger und achtziger Jahren habe sich das Verhältnis entspannt.

Gut, dass Klier die „verordnete Freundschaft“ auch aus der Perspektive der „Freunde“ erzählt, wie sie im offiziellen DDR-Sprech hießen. Obwohl in den Kasernen mit dem roten Sowjetstern am Eingang eingepfercht, zogen diese das Leben in der DDR doch einer Stationierung etwa an der chinesischen Grenze vor. Das war auch der Grund, warum viele von ihnen nach der Wende in der DDR desertierten. Helden waren sie da schon nicht mehr, eher arme „Russen“ auf die man nicht selten mit Verachtung ­herabblickte.

Bis 30. August im Abgeordnetenhaus. www.verordnete-freundschaft.de